Faithless

Viele Größen aus der musikalischen Welt haben sich in diesem verdammten Jahr verabschieden müssen. Prince, Bowie, Cicero und so viele mehr … bei allen war ich überrascht und berührt. So berührt wie man halt ist, wenn man die Werke kennt, aber keine großartige Verbindung mit dem Schaffen der Künstler hat.
Als ich heute Abend nach einer wunderbaren Familienfeier „noch mal schnell“ bei Twitter reinschaue, sehe ich die Spiegelmeldung über George Michaels Tod. Ich will es nicht glauben und weiß doch, dass der Spiegel das nicht ohne Sicherheit meldet.
Geschockt bin ich, der MamS ist nicht daheim und inzwischen melden auch andere Quellen Michaels Tod. Ich meine, ich kannte diesen Mann nicht und jetzt sitze ich hier und breche in Tränen aus? Was ist das denn?

Sofort suche ich „Ladies & Gentleman“, das Meisterstück, das mich doch vorgestern erst durch dein Geschenke-Einpackmarathon begeitet hat und lege die erste CD in den Player. Die Anlage ist irgendwie verstellt und das erste Lied startet so laut, dass jetzt vermutlich das ganze Haus wach ist. Ich weine zu „Jesus To A Child“, eines meiner vielen allerliebsten Songs von George Michael.
Mein halbes Leben begleiten mich George Michael und seine Stücke und ich rede nicht von „Last Christmas“ aus Wham-Zeiten. Es gibt nur ganz wenige, die mich nicht sofort packen und in den Groovemodus versetzen. Michaels Unkonventionalität und über die Lieder transportierte Stärke hat mich in seiner Leichtigkeit immer tief beeindruckt.

So trug es sich zu, dass ich, als es um die Liedauswahl zur der Hochzeit, die ich mit dem MamS vor nunmehr ähm, Moment … also im Jahr 1989 beging, George Michaels „Faith“ ins Spiel brachte. So wundermärchenhaft hatte ich es mir ausgemalt: Die Gäste sitzen erwartungsvoll in den Bänken, das Lied beginnt, die Orgel orgelt, der MamS und ich betreten die Kirche und bewegen uns tanzend- und singenderweise grob in Richtung Altar, hinter uns die Blumenkinder, die tun, was Blumenkinder halt so zu tun haben. Die Gäste lassen sich inzwischen anstecken von dem treibenden Rhythmus des Stücks und es herrscht nun nicht mehr nur feierliche, sondern feierlich-ausgelassene Stimmung. In dreieinhalb Minuten haben wir den Weg geschafft und finden uns vor dem Pfarrer ein, der meinetwegen in nun üblicher, getragener Weise das Ding mit den Ringen anleiert.
Natürlich klappte das nicht. Die Zeiten waren nicht so, „Faith“ durfte nicht in die Kirche. Aber noch heute habe ich die passenden Bilder im Kopf und das verdanke ich George Michael.

Als der MamS heim kommt und mich verheult und aufgelöst vorfindet, bin ich sehr dankbar über sein Verständnis für meinen Zustand. Er ist fern jeglicher Trauer, erklärt mich aber auch nicht für verrückt und das kann nur jemand, der Musik liebt und Menschen, die Musik lieben sind gute Menschen, sagt man ja.

Schade. Ein weiterer Großer hat die Bühne des Lebens verlassen. Die Zeiten sind jetzt andere. Vielleicht bekomme ich ja zu meinem eigenen Begräbnis endlich dieses „Faith“ gespielt. Lange genug im Kopf hatte ich es ja.
Danke, George Michael.

Traurig
moggadodde

ありがとう

„Mit Euch macht Einkaufen keinen Spaß“, nölt der kleine Hank und schiebt den Wagen weiter, während ich mich ins Regal mit den Süßstofftabletten vertiefe, um das günstigste Angebot zu finden. 1500 Stück für 4,99 € oder doch die 1200 zu 3,49 €? Das Beherrschen der Dreisatzrechnung ist beim Einkaufen ja so wichtig wie der Docht für die Kerze.

Hanks Gemecker ignoriere ich gekonnt und betrachte inzwischen die Nutella-Gläser verschiedener Größen und natürlich auch Preise. „Echt ey, nimm halt einfach eines!“, drängelt er. „Geduld!“, mahne ich, „Weißt, ich verdiene mein Geld durch härteste Knochenfron in den finsteren Katakomben und da ist es mir nicht scheißegal, wenn ich dem Herrn Ferrero für seine Haselnussklebe auch nur einen Cent mehr bezahle, als ich muss“, meckere ich zurück. Angenervt bin ich vielmehr von so viel Unachtsamkeit erarbeiteten Geldes gegenüber, typisch für einen jungen Mann, der schon in der Ausbildung nicht schlecht verdient und auch ansonsten keine gesteigerten Probleme hat.
Er ist an der Reihe mit der Bezahlung des Wochenendeinkaufs bis zum Limit von 100 € und er erwartet, dass ich dafür unbesorgt einkaufe, was für ihn bedeutet, ohne Preisvergleich und nach Lust und Laune das Begehrte in den Wagen zu legen, was für mich natürlich überhaupt nicht in die Papiertüte kommt.

Daheim führen wir noch eine tiefer gehende Diskussion darüber, innert deren ich ihm trübe Aussichten ausmale, sollte er dereinst komplett in finanzieller Eigenregie sein Süpplein kochen. Er entgegnet, dass ich die Centfuchserei beim Einkaufen ganz einfach vermeiden könnte, rauchte ich überschlagsmäßig eine Schachtel Zigaretten weniger in der Woche und ich werfe zurück, dass der Vergleich ja wohl hinke wie ein fußamputiertes Pferd und ich hasse es plötzlich, einen schlagfertigen Sohn zu haben.

Wir machen hervorragende Pizzabrötchen mit mittelteurem Schinken und mittelteurer Salami und ich fühle mich ein bisschen schlecht, weil wir dem kleinen Hank offenbar weder irgendwelche Grundkenntnisse der Betriebswirtschaft, noch gesunder Sparsamkeit beibringen konnten und konstatiere, dass es nicht ausschließlich eine Frage der Erziehung ist, weil Dixie beispielsweise trotz gleicher Edukation durch ihre anfangs fast ausbeuterisch zu nennenden Arbeitsverhältnisse völlig ins Gegenteil driftete und eine fast an Geiz grenzende äußerst sparsame Geldausgabepolitik verfolgt. Da, wo sie knausert, lässt der kleine Hank es krachen. Da sollten wir vielleicht noch einmal nachjustieren, bevor er auszieht.

Andererseits ist Großzügigkeit ja eine Eigenschaft, die in diesen Zeiten ja nicht mehr allzu häufig anzutreffen ist. Geben, ohne eine Gegenleistung zu erhalten oder einfach aus Nächstenliebe oder Dankbarkeit: Die Geiz-ist-Geilisierung ist eingezogen und wird betoniert durch Engherzigkeit und Neid auf die, die vermeintlich mehr haben. Und ja, großzügig ist er, der kleine Hank, nicht knausrig bei Geschenken für uns und seine Freunde und bei Trinkgeld im Restaurant.

Wertschätzung für die Arbeit anderer, unterstützt durch das Wissen, dass ein Großteil der angedienten Leistungen niedrig entlohnt und oft unter unfreundlichen Verhältnissen im Hintergrund erbracht wird, ist immens wichtig. Für jeden Menschen. Zumindest das hat der kleine Hank von uns annehmen können.

Genau deshalb habe ich eben einen Umschlag mit einem Scheinchen und ein paar lieben Worten an den Briefkasten geklebt, um dem Menschen, der die Zeitung seit Monaten pünktlich und unzerrissen liefert, Dank zu sagen, wie ich auch dem Postzusteller heute eine Karte mit Geld überreichte. Immer gut gelaunt, nie ungeduldig und meinen ungekämmten, ungeschminkten und schlafanzugösen Aufzug diskret übersehend verdient auch er Dank für seine tägliche Leistung.

Nur ein klein wenig mehr Anerkennung, Respekt und Achtung für die uns umgebenden Menschen und die Welt wäre ein ganz großes Stückchen besser. Aber so weit wird es ja leider niemals kommen.

Hui, nun schwoff ich aber weit ab. Der kleine Hank hat heute übrigens wieder eingekauft. Er ist ein großer Verehrer der japanischen Reisrollen und zaubert Sushi an Weihnachten, und zwar für die komplette Familie. Das ist ganz schön aufwändig, aber er kann das wirklich gut, er gibt sich große Mühe und nimmt mir so ziemlich viel Arbeit ab.
どうもありがとう, kleiner Hank!

Eine fruchtbare Nacht wünscht
moggadodde

Schuhbidu!

Chung shi – was sich anhört wie die Nummer 18 auf der Speisekarte beim Asiaten um die Ecke, musste ich nach dem Probetragen bei der lieben S. am Wochenende unbedingt haben.
Schon seit Wochen machen mir Missempfindungen an den Fußsohlen zu schaffen, auch die Knöchel knacken, instabil und schmerzhaft und das kann ich nicht nur momentan gar nicht brauchen. Die jahresendüblichen Totschaff-Wochen stehen nämlich an in den Katakomben, und bei all der Plackerei bin ich froh, vielleicht wenigstens eine der inzwischen zahlreichen Körperbaustellen zügeln zu können. Frau wird ja nicht jünger.

Zugegeben, den Sexyness-Preis gewinnen sie vielleicht nicht,

chung-shi

aber das ist mir auch vollkommen schnuppe es ist wirklich so: Diese Schuhe geben ein Laufgefühl, als wäre die beschrittene Welt eine einzige, riesige Wolke. Sie dämpfen den Tritt perfekt und ich bin gespannt, ob sie auch nach dem morgigen Katakomben-Härtetest das halten, was sie jetzt nach einer Stunde Tragen versprechen. Und da, wo andere Plastikschlappen mit Chemiecocktails und Weichmacherorgien um sich werfen, hat Öko-Test dem chung shi Schadstofffreiheit bestätigt – ein für mich kaufentscheidender Punkt!

Mutig habe ich mich für den chung shi DUX Chilli entschieden, weil diese Tage schon trist genug sind, und in der Broschüre ist neben einigen anderen Vorzüge dieser Farbe zu lesen, dass die „bloße Wahrnehmung der Farbe Rot den Stoffwechsel um 13,4 % erhöht“. Wer weiß, vielleicht habe ich damit ja sogar den Kollegen auch was Gutes getan?

Zum heutigen, eben spontan von mir ausgerufenen Feiertag der Fußgesundheit habe ich auch ein Rätsel im Gepäck. Wo könnte ich mit meinen neuen Schuhen mit mindestens 13,4 %iger Sicherheit keinen Eindruck machen?

raetsel

Euch einen wohligen Abend wünscht
moggadodde

Letzte Liegenschaft

Dann besichtigten wir heute also eine Wohnung. Etwas außerhalb gelegen, auf einer Anhöhe vor neugierigen Blicken geschützt, verspricht das neue Domizil Ruhe und Abgeschiedenheit. Einkaufsmöglichkeiten, Busanbindung, kulturelle Angebote oder gar Internet sucht man hier vergeblich, ja das neue Wohngebiet ist noch nicht einmal an eine Kanalisation angeschlossen. Das alles ist auch gar nicht nötig, und doch wird es uns bei Einzug an nichts fehlen – wir sind dann nämlich tot.

Hin und wieder denkt der Sterbliche ja an die letzte Logis. Der hier neu eröffnete Ruhewald bietet die Möglichkeit, frisch kremiert und verpackt in biologisch abbaubaren Erdmöbelchen am Fuße von Bäumen ins humöse Endlager hinab zu fahren, um irgendwann eins zu werden mit Mutter Natur und dem Erdenkreislauf an sich und das passiert dank der Biourne ja recht schnell. Irgendwo muss man ja hin mit sich oder den Lieben, warum also nicht in den Wald, wo Kosten und Ruhezeiten ähnlich geregelt sind wie auf dem herkömmlichen Friedhof, Grabpflege oder sonstige Aufhübscharbeiten aber nicht anfallen. Also erkundeten der MamS und ich heute einmal das Gelände und – naja. Bäume sehen halt dann besonders im Winter ziemlich gleich aus und grundsätzlich ist es mir einerlei, vergrübe man mich an einem Sammelbaum oder solo am Eigenbaum. Wir wohnten ja bisher zur Miete, da machen ein paar tote Nachbarn das Kraut auch nicht fett; diese geben dann wenigstens garantiert Ruhe.
Ich bevorzugte wenigstens ein sonniges Örtchen, während der MamS, wie im Leben, einen Schattenplatz präferierte und wir überlegten, es nach dem Tod zu halten wie mit unseren Schlafzimmern im Leben: Getrennt von Bett und Baum. Andererseits sind die wenigsten Toten dafür bekannt, ihren Kollegen mit Schnarchgeräuschen, Pinkelbettfluchten oder rastlosem Herumgewälze die letzte Ruhe zu rauben, versuchen wir es also doch mit einem Partnerbaum?

Wir werden darüber nachdenken. Vielleicht geht uns ja dann noch ein Licht auf.

erleuchtung

Trau, schau, brems!

Seit ein paar Monaten hat der MamS ein neues Auto. Ach, was heißt „Auto“. Ein Auto ist schon lange nicht mehr nur Auto, sondern in Blech gehüllter Feuchttraum zahlloser Ingenieure, ITler, Elektroniker und Designer. Den ganz besonders pfiffigen unter ihnen verdankt der MamS einige besondere Annehmlichkeiten, lediglich Dauerwellenlegen und professionelle Zahnreinigung gehören noch nicht dazu.

Mit den meisten der vielen, bordeigenen Gimmicks hat sich der MamS als verantwortungsvoller Fahrzeugführer bereits vertraut gemacht, lediglich das Pre Collision System, kurz PCS, wurde bisher nicht ausprobiert, die Vorrichtung, die die beiden Münsteraner Tatortkommissare im Werbespot so nett zeigen und die einen Auffahrunfall oder den Aufprall auf ein Hindernis vermeiden soll.
Wir alle wissen, dass die Kluft zwischen Werbung und Wahrheit manchmal so tief ist wie Fallhöhe im Abgasskandal, weshalb wir heute eine Versuchsanordnung auf dem Supermarktparkplatz starteten.

Fleischliche Freiwillige fanden sich freilich nicht, auch schien uns die Verwendung einer tonnenschweren Baumaschine, wie im Werbeclip, einen Tick zu riskant – Kartons mussten deshalb als Hindernis dienen. Bei mehreren Durchgängen bremste der MamS selbst und zu früh, bis er sich nach viel gutem Zureden endlich überwand:

Das Ergebnis hat mit dem Werbeclip nicht viel zu tun. Es bremste letztlich nicht das Auto selbst, sondern der MamS stieg fest in die Eisen, um nicht über die doch recht stabilen Kartonagen zu brettern.
Das Bordbuch gibt zur Frage, wie Hindernisse beschaffen sein müssen, um als solche erkannt zu werden, nicht viel her. Woran liegt’s? Hat der Roboter geschlampt? Hindernis mit etwa einem Meter zu schmal? Falsche Farbe? Weil ich nicht so gut Gitarre spiele wie Liefers? Mal sehen, was das Autohaus zu der Problematik sagt.

Eine unfallfreie Nacht wünscht
moggadodde