Hank ist ja ziemlich etepetete, was die Verfallsdaten von Lebensmitteln angeht. Durch seine Futterluke wandert wissentlich kein Joghurt, der auch nur einen Tag über dem aufgedruckten Datum liegt und penibel wird jede Milchtüte, jede Käsepackung, jeder Schokopudding inspiziert. Natürlich ist er schon dann und wann mit der einen oder anderen Kühlschrankleiche konfrontiert worden, so etwas gibt es schließlich in jedem Haushalt; diese Erlebnisse haben ihn offenbar geprägt.
Wenn ich ihn ärgern will, genügt ein beiläufiges „Schau mal nach, ob das noch gut ist. Das steht schon eine Weile!“, um ihn sogar bei seinem Hauptnahrungsmittel Nutella aufhorchen zu lassen. Dann sucht er sofort auf dem Glas hektisch nach dem Datum, das natürlich noch lange nicht ansteht, weil Nutella bei uns nie alt wird, aber sein Misstrauen ist jedesmal größer.
Ich sehe das ja nicht so eng und habe auch schon mal Joghurts gegessen, die zwei oder drei Monate abgelaufen waren. Mein Geruchssinn spielt die Hauptrolle beim Frische-Check und so gilt: Alles, was noch nicht geöffnet war und einer eingehenden Inaugenscheinnahme standhält ist erst einmal genießbar, bis mir meine Nase oder Zunge etwas anderes sagen. Wenn sich jemand aus der Familie tatsächlich einmal den Magen verdorben hat, war Verursacher stets die aushäusige Küche eines Restaurants. Die Erinnerung an die „Frutti di Mare“-Pizza irgendwo bei Ingolstadt verursacht mir noch heute übelste Bauchkrämpfe.
Meine Kollegin Mati ist da schon ein anderes Kaliber. Sie lässt gerne mal Fünfe gerade sein und vertraut in jeder Lebenslage eisern auf den lieben Gott. Trotzdem ist es ein Ding der Unmöglichkeit, Mati mit einem einen dreckigen Witz zu erheitern – sie kennt nämlich alle schon. Müßig zu erwähnen, dass Mati zu meinen Lieblingskolleginnen gehört. Sparfüchsin die sie ist, durchstreift sie auch gerne mal bewaldete Gefilde und sammelt Pilze, die sie dann für sich und ihren Gemahl zubereitet, so auch in der letzten Woche. Mati erzählte, dass sie sich bei einem Fundstück nicht ganz sicher war, allerdings stellte der Pilz, den sie mit ihren rudimentären Kenntnissen als prächtigen Bovisten identifizierte, den Hauptteil der Sammlung dar und nach dem Motto „Vertrauen ist gut – Kontrolle hält nur auf“, mischte sie das dubiose Objekt unter die übrigen Schwammerl und servierte sich und ihrem Mann das fragwürdige Mahl zur Nacht. Der Gute wusste natürlich nicht, dass seine Gattin gewisse Bedenken hegte, selbst aber tapfer mit schmauste. Der liebe Gott … ihr wisst schon.
Auch wenn ich selbst in der eigenen Küche kein Verfechter allzu erbsenzählerisch-hysterischer Lebensmittelkontrolle bin, war ich ehrlich entsetzt. Wie Mati das denn tun konnte!? Und ob denn niemandem wenigstens ein bisschen übel geworden wäre?! Und überhaupt: Ob sie denn noch ganz dicht sei?!
Sie erwiderte meine Tirade mit einem Lächeln und berichtete, dass sie sich sicherheitshalber einen Wecker gestellt (!) und in der Nacht dann die Vitalfunktionen ihres Gemahls geprüft habe. Weil er noch am Leben und ihr nicht schlecht war, konnte sie beruhigt wieder einschlafen, erzählte sie worauf ich ihr versicherte, dass ich niemals in ihrem Haushalt jemals auch nur einen Bissen werde essen können, was sie gar nicht recht verstehen konnte.
Heute nun gab es hier aus Zeitgründen als schnelles Abendessen ein Bami Goreng und ein paar tiefgekühlte Frühlingsrollen als Starter. Ich stöberte in den hintersten Tiefen der Vorratsregale, ob sich dort nicht etwas zur Verfeinerung des frugalen Mahls finden ließe und tatsächlich stieß ich auf ein Glas Miso-Paste und eine Flasche Pflaumensoße, original verschlossen. Beide Produkte bestanden sowohl die olfaktorische als auch okulare Inspektion und besonders die delikate Pflaumensoße kippte der kleine Hank in rauher Menge über seine Röllchen. Natürlich verschwieg ich ihm, dass diese offenbar bereits in der Ming-Epoche hergestellt und schon im November 2005 abgelaufen war.
Auf der Miso-Paste prangte sogar das MHD Mai 2004. Ihr wurde seinerzeit zur Gärung der Koji-Schimmelpilz zugesetzt und das fand ich nach der langen Zeit dann doch ziemlich widerlich.
Ich hätte es natürlich auch der lieben Mati mitbringen können, die stellt sich bei Pilzen aller Art ja nicht so kleinkariert an, aber ich warf das Glas dann doch lieber in den Abfall. Der liebe Gott kann ja schließlich nicht überall sein.
Euch einen schmackhaften Abend wünscht
moggadodde