Nur die Sonne wäre Zeuge …

Nach langen Diskursen über den ungeklärten Zusammenhang zwischen dem Einsatz der Menopause unter Berücksichtigung der primären Menstruation, nach Schunkelrunden zwischen Herrn Heintjes „Schwalbenlied“ und Rockeinlagen zu Sweets „Blockbuster“, nach Konfrontation eines 75 E-Körbchens mit einem 80 Doppel-E-Körbchen und deren fotografischer Dokumentation darf ich behaupten, dass die Ãœ-40er-Generation das ausschweifende, ganz und gar flotte und fidele Feiern nicht verlernt hat.

Leider habe ich nun aber auch einen ganz neuen Floh im Ohr: Rasend gern würde ich aufgrund wunderschöner Schilderungen eines Partygastes zu einem Segeltörn ins Mittelmeer stechen. Leider ist der MamS so gar nicht seetauglich, aber ich könnte, so leid mir das auch täte, was ich natürlich nicht tun werde, die Landratte zurücklassen und mir eine eigene Crew anlachen.
Ach, das wär‘ auch so ein Traum: Ich sitze auf dem gleißend hellen Deck einer weiß glänzenden, kleinen, schaukelnden Yacht, atme die salzige Luft um mich herum und genieße den fernen Ausblick auf einige, gemächlich cruisende Tümmler. Meine braungebrannten Füße hängen über den Bug und werden von trägen Salzwassertropfen benetzt. Es herrscht einsame Stille, bis auf das rhythmische Geräusch der kleinen Wellen, die an den Rumpf schlagen und das unregelmäßige Klackern in der Takelage … Ich halte mein Gesicht, das langsam anfängt zu brennen, in die heiße, nachmittägliche Hitze, spüre, wie ich langsam von krebs- in kirschrot changiere, bin aber bin viel zu faul um aufzustehen und mich unter das Sonnensegel zu begeben. Statt dessen schütze ich meine Augen mit der Hand vor der grellen Sonne und schaue schläfrig in die Ferne, ob sich irgendwo am Horizont möglicherweise etwas Land erspähen lässt.
Nebenbei frage ich den Skipper, der ein bisschen aussieht wie Alain Delon, ob wir heute noch in irgendeinem Hafen einlaufen und er antwortet, dass wir diese Nacht auf dem Meer verbringen werden. Ich lege mich beruhigt zurück auf die heißen Planken, die mir den Rücken zu versengen drohen und denke, dass ich für den Rest meines Lebens nur hier liegen und auf das Wasser und in den stahlblauen Himmel sehen will.

Ich bin ein Fisch! Lasst mich aufs Meer!

Euch eine feuchte Nacht wünscht
moggadodde

Separatistenparty

Es gibt ja einige Sachen, die mir Kopfzerbrechen bereiten, aber in eine Verlegenheit bin ich bisher noch nie geraten:
Als ich vorhin einer Bekannten telefonisch zum Geburtstag gratulierte und unser Kommen für ihre morgige Party zusagte, erzählte sie, dass sie nicht nur morgen, sondern auch heute feiern werde. „Wie“, erkundige ich mich, „wieso feierst du zweimal?“
„Ach“, antwortet sie, „bei den vielen Geschiedenen in unserer Clique muss ich das.“ Der eine Teil der getrennten Paare komme heute, der andere schlage morgen zur Feier auf. So gebe es nicht die Gefahr peinlicher Zusammentreffen verfeindeter Lager, die die Sause als Plattform für schwelende Unterhalts- oder Sorgerechtsdissonanzen ansehen und damit möglicherweise die Stimmung killen oder sich zu fortgerückter Stunde womöglich im negativen Sinn an die Wäsche gehen bzw. gar dem neuen Partner der oder des Verflossenen an die Gurgel.
Als ich nach dem Gespräch darüber nachdachte, ging mir auf, dass unter ihren Bekannten tatsächlich der MamS und ich das einzige Paar sind, das noch nicht geschieden oder getrennt lebend ist und dass in unserem eigenen Bekanntenkreis kein einziges Separatistenpaar zu verzeichnen ist, was die Planung z.B. von Geburtstagsfeiern diesseits erheblich vereinfacht.
„Außerdem bekomm’ ich die doppelte Menge Geschenke“, sagt meine Bekannte zum Abschluss und ich muss gestehen, dass ich die Sache aus dieser Perspektive zwar noch gar nicht gesehen habe. Trotzdem bin ich froh, meine Gästeliste nicht strategisch nach beziehungstechnischen Kriegsschauplätzen ausrichten zu müssen.

Mit solchen Sachen hat Hank noch gar keine Probleme; am Montag wird er endlich 10 Jahre alt. Er ist, auch weil sein CD-Player die Grätsche gemacht hat, ein Fan des lokalen Radiosenders und wünscht sich, an seinem Geburtstag über den Äther gegrüßt zu werden. Natürlich habe ich dem Sender eine Botschaft übermittelt, aber ich bin nicht sicher, dass das auch funktioniert. Deshalb mein Appell:
Hallo, RADIOGONG.COM: Selbst wenn sich mir selbst in aller Herrgottsfrühe angesichts der grammatikalischen Ausfallerscheinungen des Morgenmoderators so manches mal die Nägel kräuseln: Grüßt Hank und macht damit einen kleinen Jungen glücklich! Ruft!Ihn!An!

Euch einen feierlichen Tag wünscht
moggadodde

Unverstanden

Beim Abendessen gestern fragt Dixie, mit vollem Mund und reichlich nuschelnd: „mampfmampf Wer war mampfschmatz eigentlich schmatzmampf Fletcher?“ Ich, um das Bildungswohl meiner Kinder stets besorgtes Muttertier, hebe ad hoc zu einem langatmigen Monolog über Horace Fletcher an, der das „fletschern“ erfunden hat, eine umfassende Kautechnik, die die optimale Verstoffwechselung der genossenen Speisen gewährleisten soll. „Hä? Ich denk‘ der war Schauspieler“, wirft Dixie ein und ich bitte sie, den Namen zu wiederholen. „Hiiith Ledscher!“ sagt sie, diesmal mit sauberem Tiiiäitsch und geleerer Futterluke.
Zur Persona Heath Ledger kann ich nicht halb so viel erzählen wie zu Horace Fletcher und ich beschließe, entweder öfter zum Arzt zu gehen oder meiner Lektüre mehr Yellow Press unterzumischen, um mitreden zu können.

Zuletzt gelesen habe ich übrigens das „Kochbuch des Kannibalen“, die nicht uninteressante, detailreich erzählte Geschichte um ein in Familienhand liegendes Restaurant in Buenos Aires und seine zahlreichen, begnadet begabten Besitzer über mehrere Generationen hinweg.
Der irreführende Titel soll wohl eher die blutrünstige Leserschaft ködern (was bei mir ja funktioniert hat), aber außer einem Gastronomen, der als monströser Säugling seiner Mutter die Brustwarze abbeißt, worauf die Arme einem Herzschlag erliegt und einer Wiederkehr des Kindes als Erwachsener am Ende des Buches, wo er mehr aus Not denn aus gourmetösen Gründen einige Leute meuchelt und auf die Speisekarte setzt, kommen die Kochkünstler allesamt ohne Menschenfleisch in der Küche aus. Die verlagsseitige Bezeichnung „kulinarischer Thriller“ ist, so finde ich, genauso verfehlt, wie Herrn Ledger und Herrn Fletcher in einen Topf werfen zu wollen, nur weil sich’s reimt. „Eine kulinarische Familienhistorie“ hätte eher gepasst oder „Argentinische Geschichte aus der Sicht kochender, italienischer Immigranten“, was zwar treffend, aber natürlich zu lang gewesen wäre. Mit der gewählten Bezeichnung „Ein kulinarischer Thriller“ tut der Verlag dem Buch, das für mich nicht das Mindeste mit einem Thriller gemein hat, leider ziemlich Unrecht.
Nicht jedes Buch, in dem gestorben, geblutet und ein bisschen gemordet wird, ist gleich ein Thriller und ich hege den leisen Verdacht, dass dieses Wörtchen in letzter Zeit sowieso reichlich inflationär gebraucht wird, um Auflage, Verkaufszahlen und gewinnträchtige Rankings zu pushen.
Aufgrund der blumigen Wortwahl, der anregenden, obgleich anspruchsvollen Rezepte und des besonderen Plots (sogar der gute, alte Che und Frau Perón werden eingestrickt) hat mich die Lektüre ganz gut unterhalten und das Cover

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passt als Accessoire in meine Küche. Mehr aber auch nicht.

Jetzt hab‘ ich Hunger und mach für die Meute ganz profan und unargentinisch Schupfnudeln mit Sauerkraut aber ohne Schnickschnack und ihr denkt bitte daran: Immer ordentlich fletschern!

Euch einen appetitlichen Abend wünscht
moggadodde

Alttag

„Ha! Wer bist denn du?“ begrüßt mich die Oma und als ich sie aufkläre, wer ich bin und dass ich zu ihrer zahlreichen Enkelschar gehöre, sagt sie: „Du bist aber auch runder geworden!“, was mich nicht verwundert, denn meine Oma nimmt kein Blatt vor den Mund, auch wenn ihr altes Gehirn nicht mehr so will wie sie. Ihre komische Tochter, die meine Tante ist, kommt auch vorbei und behauptet, Oma mache das absichtlich. „Die weiß noch mehr, als du denkst“, sagt sie zu mir. „Die strengt sich nur nicht an beim Denken“ und „Alles schiebt sie schiebt auf ihr Alter, nur damit sie nicht nachdenken muss!“ bezichtigt sie meine Oma, wo ich ihr widerspreche, denn niemand mit intaktem Denkapparat erzählt in einer halben Stunde dreimal das Gleiche und hält es selbst jedesmal für eine brandheiße Neuigkeit, aber die Tante besteht darauf, dass die Oma gar nicht so wirr ist, sondern einfach nur denkfaul.
Am Ende des Besuchs drückt mir die Oma zwei Tafeln Noisette in die Hand und sagt: „Da, hastn Schoggi. Du kannst des ja verdraaach … Hast abgenomme, gell?“ und ich weiß ganz genau, dass sie in einer Stunde bestreiten wird, dass ich überhaupt da gewesen bin. Später habe ich mir dann ausgemalt, wie es denn um mich so stehen würde, wenn denn überhaupt so viele Jahre auf den Buckel kriegen sollte und hab‘ den Gedanken schnell wieder verdrängt.

Es ist schon paradox, irgendwie: Alt werden will jeder, aber alt sein will niemand. Nur gut, dass man sich das nicht aussuchen kann …

Euch einen denkwürdigen Tag wünscht
moggadodde