Himmel und Hölle

Wer einen Film ausleiht, dessen Plot sich überwiegend am Thema Masturbation festmacht und der zu einem Gutteil in einem schäbigen Etablissement namens „Sexy World“ spielt, vermutet einen versauten C-Movie, in dem dicke Titten und anzügliche Sprüche die Hauptrolle einnehmen und bei dem man angesichts planlosen Rumgestochers nach einer halben Stunde stante pede getrost zum Liveprogramm übergehen kann.
Wenn die Hauptdarstellerin allerdings Marianne Faithfull ist, die Maggie, die wichsende Witwe (so nennt sie sich selbst) mit so hinreißendem Tiefgang spielt, heißt dieser Film „Irina Palm“ und verheißt richtig gute Unterhaltung. Anrührend aber nicht rührselig wird das Bild einer englischen, kleinbürgerlichen Mittfünfzigerin gezeichnet, die anfangs noch mit Minderwertigkeitsgefühlen behaftet im Verlauf des Films immer mehr zur routinierten und begehrten Handarbeiterin am „Glory Hole“ avanciert, um ihrem todkranken Enkel eine teure Operation zu finanzieren. Als sie ihren moralinsauren Freundinnen schließlich reinen Wein einschenkt und über die Beschwerden mit dem wegen Überlastung entstandenen Penisarm berichtet, als ob sie über eine Verbrennung beim Hemdenbügeln spricht, ist das derart hinreißend und entwaffnend, dass man sein breites Grinsen für den Rest des Films nicht mehr ablegen kann.
„Irina Palm“ ist ein wunderbar warmer Film um eine Emanzipation und das Finden der Liebe in einem harten Milieu, der aber dank Marianne Faithfull nie schlüpfrig oder peinlich wird und den ihr unbedingt bei nächster Gelegenheit anschauen müsst! Unbedingt!

Gleich danach stand gestern „Death Proof“ auf der Wiedergabeliste. Darüber muss ich nichts sagen, denn Tarantino mag man oder nicht. Ich gehöre zur ersteren Gruppe, wenn auch „Kill Bill“ oder „From Dusk Till Dawn“ für mein Empfinden liebevoller gearbeitet waren, wenn man bei einem Tarantino von „liebevoll“ überhaupt sprechen kann, meine ich.
Leider geht mir seit gestern Abend das „Twisted Nerve“, das Elle Driver auf dem Weg zu Kiddos Krankenzimmer zwitschert, nicht mehr aus dem Kopf. Den ganzen Tag schon pfeife ich das Liedchen vor mich hin und der MamS droht bereits, ganz Tarantino-like, mir alsbald den Mund zuzutackern und mich danach im Main zu versenken.

Euch eine filmreife Nacht wünscht
moggadodde

Sleepy Horror

Ja, verdammt, ich weiß es doch: Auch wenn ich jetzt alle möglichen und unmöglichen Verehrer der vermeintlich engelsgleichen Mogga bis ins Mark enttäuschen dürfte, ich gebe es zu: Ich schnarche – und das nicht zu knapp. Auch wenn ich selbst das mit hübschem Regelmaß und vehement dementiere – mit eigenen Ohren habe mein vermeintlich ruhestörendes Verhalten ja noch nie gehört – der MamS würde mich kaum aus Jux und Dollerei mitten in der Nacht treten und rütteln und schubsen, weil ich ihm den Schlaf raube.
Nun ist es nicht so, dass er nicht auch schnarcht, nur kommt mir hier zugute, dass wir höchst unterschiedliche Schlafrhythmen haben: Er steigt schon spätestens um 23.00 Uhr mit den Hühnern ins Bett und ich folge frühestens gegen 1.00 Uhr nach, so dass er mit seinem Röchelpensum in der Regel schon durch ist, während ich eher ein Sunrise-Schnarcher bin, der erst gegen 4.00 Uhr früh seinen Sägezenit erreicht. Um diese Zeit ist der MamS schon wieder in den Startlöchern für den neuen Tag und entsprechend empfänglich ist er für allerlei Reize, auch für die akustischen. Außerdem ist meine Toleranzschwelle ungleich höher: Wenn der MamS lauthals schnorchelt, boxe ich ihm heftig in die Seite; in der nachfolgenden zwei- bis dreiminütigen Pause bin ich schon wieder eingeschlafen und würde nicht einmal wach, wenn man mich mit den Füßen voran aus dem Bett zerrte.
Wer nun weiß, dass der MamS im zarten Alter von 12 Jahren auf einer Urlaubsreise mit seinen Eltern den eigenen Vater ob seiner nächtlichen Sägerei beinahe mit dem Kopfkissen erstickt hätte kann sich vorstellen, dass ich in der Finsternis nicht ungefährlich lebe und noch zufrieden sein kann, nur mit Tritten oder Schubsern bedacht anstatt heimtückisch gemeuchelt zu werden.

Ich bin nicht sicher, ob die Sache besser wäre, wenn wir zeitgleich ins Bett gehen würden und habe auch gar keine Lust, meinen Nachteulenstatus wegen seiner Schnarcherhassermentalität aufzugeben und weil seine Duldsamkeit meine nächtlichen Lebensäußerungen betreffend derart zu wünschen übrig lässt, ziehe ich in der Nacht immer häufiger um in Dixies Bett, die in den Feriennächten ohnehin fast nie daheim schläft.
Weil er seine Angetraute also regelmäßig aus dem Ehebett vergrault, plagt den MamS stets ein etwas schlechtes Gewissen, was er mit morgendlichen Koffeinlieferungen an mein Exilantenbett zu kompensieren versucht, die ich generös-huldvoll annehme.

Klar ist, dass ich seinen Schlaf sabotiere. Klar ist aber auch, dass ich das nicht absichtlich tue. Operative Eingriffe und liebestötende Nasenklemmen allerdings lehne ich ebenso ab wie ins Schlafgewand eingenähte Tennisbälle, um die von mir bevorzugte Rückenlage zu vermeiden. Über kurz oder lang werden wohl nur getrennte Schlafzimmer dauerhaft Harmonie an die eheliche Schlummerfront bringen. Weil Dixie uns noch nicht so bald durch einen Auszug mit einem freien Zimmer beglücken dürfte, werde ich noch einige Jahre wie eine nächtliche Nomadin auf der Suche nach einer freien Schlafstatt durch die Räume wandeln und auf baldige Altersschwerhörigkeit des MamS hoffen oder auf dauerhafte Flaute für meine abgelascht-flatternden Gaumensegel.
Aber frischen Kaffee an den outgesourcten Schlafplatz geliefert zu bekommen – das hat schon auch was …

Euch eine stille Nacht wünscht
moggadodde

Jingle off!

In einem leichten, vorweihnachtlichen Koller habe ich den Klingelton unserer Telefone in ein beschwingt schellendes „Jingle Bells“ gewechselt. Nun, da die einschlägige Zeit vorbei ist, wollte ich wieder ein sachliches Signal installieren, aber beide (!) Mobilteile verweigern den Befehl. Bei einem eingehenden Anruf läutet es ca. eine Sekunde mit dem neu gewünschten Ton und dann setzt sofort das fröhliche „Jingle Bells“ wieder ein! Alles andere lässt sich problemlos variieren: Hintergründe, interne Klingeltöne, Basiseinstellungen, nur dieser verdammte, externe Rufton klebt an den Geräten wie stinkender Teer und scheinen mich für meine ansonsten mangelnde Weihnachtsbesinnlichkeit bestrafen zu wollen.
Im Handbuch fand ich wenigstens eine Hotline für 12 ct in der Minute und die semifreundliche Frau Winter (!) von der Rufbereitschaft hatte nur den Rat, die Stromversorgung für 2 Stündchen zu kappen, um das Gerät zurückzusetzen.

Ich habe also eben den Stecker gezogen und harre der Dinge. Fand ich den Sound um die Weihnachtszeit noch totaaaal witzig, so ist das „Jingle Bells“-Geläute kurz vor Silvester nur noch affig.
In das Zurücksetzen des Telefons setze ich die Hoffnung, morgen nicht mit dem Gerät beim Verkäufer aufschlagen zu müssen und mir bei der Reklamation „Herr, die Not ist groß! Die Geister, die ich rief, werd‘ ich nun nicht mehr los!“ „Der Weihnachtsklingelton lässt sich nicht mehr ausschalten! Ich hätte gerne einen Umtausch!“ wie eine komplette Idiotin vorzukommen.

Euch einen funktionierenden Abend wünscht
moggadodde

Post festum

Weil ich eingeweidetechnisch etwas indisponiert war, hielt ich mein gieriges Wesen fresstechnisch an den Feiertagen am Vierundzwanzigsten brav im Zwinger. Ich glaube nicht, dass mich das possierliche Noro-Viech befallen hatte, dazu war der Output einfach zu gering, aber auch den kleinen Verwandten des bös-virösen Gesellen schickte ich bald endgültig in den Lokus Orkus.

Wir waren alle sehr entspannt und freuten uns an des Christkinds Gaben und hier insbesondere ich über das Meisterstück, das mich natürlich in pure Verzückung versetzte, denn so etwas hatte ich mir schon immer gewünscht. Ich bin nicht nur fanatische Verteidigerin des gepflegten Umgangstons, sondern auch affine Anhängerin der ansprechenden Handschrift und das distiguierte Requisit, mit dem ich ab sofort Einkaufszettel, Anweisungen und Müllabfuhrtermine notieren werde, ist ein vornehmer Kolbenfüller aus dem Hause Montblanc. Weil ich mit derlei exquisitem Schreibgerät noch keinerlei Erfahrung hatte, schraubte ich ungeduldig hier und da ein bisschen herum, um sofort hinter die Geheimnisse eines solchen Füllfederhalters zu gelangen. Offenbar schraubte ich an der falschen Stelle, denn als ich den MamS an mein dankbares Herz drücken wollte, suppte der königsblaue Inhalt meines Weihnachtsgeschenks aus den Innereien des Füllers und ergoss sich schließlich auf den Oberschenkel der stonewashed Blue-Jeans des MamS, wobei er die maisgelbe Ledercouch nur um wenige Zentimeter verfehlte. Hank brachte seinen Tintenkiller, der natürlich versagte, deshalb nötigte ich den MamS schreiend zum sofortigen stand-up-Striptease, weil bei solchen miesen Missgeschicken umgehendes Handeln erforderlich ist, soll das Beinkleid nicht im Johannitersack landen. Tatsächlich war der handtellergroße Tintenfleck schon nach einer schnellen 40-Grad-Wäsche verschwunden und der Abendfrieden gerettet, Dash sei Dank!

An den Umtauschorgien der nächsten Tage werden wir übrigens nicht teilnehmen; alle Geschenke fanden Anklang und sogar meine technophobe Mutter freundet sich langsam mit dem vom Brüderchen verpassten Mobiltelefon an. Bis zur ersten, planmäßig zustande gekommenen Verbindung wird allerdings noch ein Weilchen verstreichen. Meine Mutter und ein Handy, das ist in etwa so, als würde man Spartakus ans Ruder eines Atom-U-Boots setzen und zu einer Schleichfahrt durch den Ärmelkanal auffordern. Sie wird noch einige Guthabenkarten verplempern aber dann hat sie’s bestimmt intus.

Ein schnöder, ganz normaler Arbeitstag liegt vor mir und, ich wage kaum, es auszusprechen: Ich freue mich drauf! Nach den ausgedehnten Fressgelagen und dem exzessivem Müßiggang der letzten Woche sehne ich mich nach körperlicher Arbeit! Kisten wuchten bis die Schwarte kracht! Banale Gespräche bis die Ohren bluten! Sinnloses Verfressen der letzten Weihnachtsplätzchen und vielleicht bringt noch jemand einen Punsch mit?

Ãœbrigens: Es sind nur noch 378 Tage bis Weihnachten!
Appdayt: Herr Mephisto, der bean counter, hat nachgerechnet: Es sind nur noch 363 Tage. Ein Grund mehr, schon jetzt nach Last-Minute-Schnäppchen zu suchen!

Euch einen sauberen Abend wünscht
moggadodde

Winterwunderland

Der MamS prügelte mich zur Regeneration meines Sauerstoffhaushalts heute in den Wald, der von Eis und Reif erstarrt dalag wie ein verzauberter Tann aus einem Film. Nur das Knistern der herabfallenden Eiskristalle, die wie kleine Styroporkügelchen auf meine Daunenjacke prasselten war zu hören und meine Schritte auf vereistem Blattwerk, ansonsten herrschte gespenstische aber wohltuende Stille. Mit kalter Hand verschönert Mutti Natur einen schlichten Maschendrahtzaun in einen vertikalen Flokati und gewöhnliche Bäume werden zu feinnadelig verkleideten Spinnenfingergehölzen.

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Viel schöner als eine tief verschneite Landschaft finde ich diese mit eisigem Hauch entstandenen Kunstwerke, fragil und vergänglich, viel eleganter als plumper, schwerer Schnee, der einem möglicherweise noch auf die Mütze schwuppt.

Nachdem ich mir heute Nacht das gestrige Essen nochmals anschauen durfte, sollte heute Schmalhans Küchenmeister sein und so schwer es mir fiel, beim Käsefondue und den alkoholischen Festbegleitern musste ich mich schwerstens zurückhalten, trotzdem deutet das Grummeln in meinen Eingeweiden, das sich wie ein in der Ferne aufziehendes Gewitter anhört darauf hin, dass erneut eine unruhige Nacht vor mir liegt.
Ach, und ein Gesträuch haben wir dank meiner Mutter jetzt übrigens doch noch. Hank, der alte Umfaller Traditionalist, hat sich von ihr bequatschen lassen und äußerte doch, wenn auch kleinlaut, den Wunsch nach einem Christbaum. Wer sollte ihm das dann verwehren? Also, alles wie gehabt.

Ich wünsch‘ euch einen netten Abend mit genau den Geschenken, die ihr euch gewünscht habt im Kreis genau jener Menschen, die ihr mögt und mit etwas Glück vielleicht sogar liebt.

moggadodde