Bei der samstäglichen Keller-Entrümpelungs-Aktion hat der MamS einige Relikte aus seiner Jugend zutage gefördert. So entdeckte er seine schätzungsweise 150.000 selbst gesampelten MCs. Für die jüngeren Leser sei hier erklärt, dass es sich um die Urururgroßoma vom iPod handelt, Musikcassetten sind kleine Kästchen mit einem wiederbespielbaren Magnetband, ein Permanentspeichermedium, das allerdings wegen des sehr leicht entstehenden Bandsalats oft schnell permanent in den Abfall wandern musste. In seiner Sturm- und Drangzeit kauerte er mit dem Mikrofon seines Recorders vor dem Radiogerät und schnitt die „Schlager der Woche“ mit Thomas Brennicke oder „Pop nach 8“, moderiert von Thomas Gottschalk mit und später auch die damals angesagten Hits aus der „Wolfman Jack-Show“ auf AFN. Eine Verabredung mit seinem Radio zog er manches mal sogar einem Date mit mir bei Diebels Alt und Kerzenschein vor und ich sehe mich noch heute manches mal stocksauer im Café Klug die Kante geben, weil er mal wieder lieber vor seinem Scheiß-Radio hockte, statt mich zu unterhalten.
Mittlerweile nehmen die Dinger eine Menge wertvollen Platz im unterdimensionierten Permanentspeicher namens „Keller“ ein, weshalb er sich so allmählich mit dem Gedanken einer Entsorgung annähert, denn kein Schwein hört heute noch Musikcassetten. Ihm, dem Musikfreak, blutet das Herz aber die Vernunft gewinnt langsam die Oberhand.
Die musikalische Passion kann ich vollkommen nachvollziehen, aber seine zweite Jugendleidenschaft, die Philatelie, entzieht sich meinem geistigen Zugang komplett. Schon immer betrachtete ich Briefmarkensammler als hornbrillentragende, schnarchzapfige Sonderlinge, die sich mit Pinzette und Lupe stundenlang in ein altbackenes Album vertiefen, um einen abgerupften Zacken zu beweinen und deren natürlicher Feind der Durchzug ist, wenn Mutti mal wieder auf Querbelüftung gestellt hat, während Gleichaltrige so sinnvolle Freizeitbeschäftigungen pflegen wie den neuesten Disco-Tanz einzustudieren oder erste Fingerübungen in der Bluse der Nachbarstochter anzustellen.
Der MamS tat gut daran, mich lieber mit seinem fundierten Fachwissen bezüglich aller, damals angesagter Musiker und Bands zu beeindrucken und noch heute weiß er die Namen von längst vergessenen oder verstorbenen Drummern, Bassisten und Leadsängern aus dem Effeff.
Trotzdem leuchteten seine Augen, als er mir vorhin stolz die Briefmarken aus der ganzen Welt präsentierte
und die sicher nicht einmal mehr das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt wurden, die er aber nie hergeben würde.
Wenn er damals allerdings mit dem ernsthaften Vorschlag, mir seine Briefmarkensammlung vorzuführen angerückt wäre, hätte ich ihn seinerzeit sofort unter „unbrauchbar“ abgelegt und mit dem nächstbesten John-Travolta-Verschnitt angebandelt, der heute vielleicht zum Spiegeltrinker mit Bierwampe und Wolfgang-Petry-Rotzbremse mutiert wäre, was beweist, dass die meisten Sachen und Menschen es wert sind, nicht nach dem ersten Eindruck beurteilt zu werden. Nicht alles ist nämlich, wie es auf den ersten Blick scheint … auch bei den Philatelisten.
Euch einen vollkommenen Abend wünscht
moggadodde