Während vorher kühle Analytik den Ermittlerhorizont bestimmte („In welcher Beziehung standen Sie zum Opfer?“) oder eindeutig hierarchische Strukturen die kollegiale Zusammenarbeit bestimmten („Harry, fahr‘ schon mal den Wagen vor!“) – der schmuddelige, grobschlächtige, fluchende Säufer aus dem Ruhrpott brachte die bürgerliche tatort-Gemeinde auf die Barrikaden. Er, der den „Scheiße“-Ausruf salonfähig machte, brachte mich auf den Geschmack des Sonntagabend-Krimis. Meine Aufmerksamkeit geweckt hatte einst der legendäre Tatort mit Klaus Schwarzkopf, in dem Christian Quadflieg als Lehrer mit seiner Schülerin Nastassja Kinski ein unzüchtiges Verhältnis pflegte. Fritz Eckhard, Hansjörg Felmy und Gustl Bayrhammer konnten mein aufkeimendes Interesse allerdings nicht befruchten. Alles war langweiliger Kokolores, bis Horst prügelnd auf den Plan trat. Die Anfangsszene, als der prollige Bulle in verdreckter Unterhose zwischen Bierpullen aufwacht und in Ermangelung einer sauberen Pfanne zwei Frühstückseier einfach roh aus dem Glas schnabuliert, hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich liebte Schimanski heiß und innig. Seine zerfledderte Jacke, sein nassforsches Auftreten, seine Art, mit einer Kombination aus Instinkt, lockerer Faust und losem Mundwerk den Ãœbeltäter zu ermitteln gefiel mir. Sein Pendent Eberhard Feik, der Schimmi stets bremsen musste aber trotz dessen oft unmöglichen Gehabes sein treuer, bodenständiger Freund war, wurde für mich unverzichtbarer Bestandteil des Gesamtkunstwerks Schimanski. Aber Thanner starb irgendwann und das holländische Hänschen konnte meine Gunst nie erringen. Der Hype um Horst ermöglichte eine eigene Reihe, einfallslos „Schimanski“ getauft, in der er als freiwilliger Mitarbeiter die Duisburger Polizei bei prekären Ermittlungen unterstützt und hier stieg ich aus. Zu düster waren die Schauplätze, zu exhibitionistisch wurde das kompromisslose Draufgängertum von dem Chef-Narzissten Götz George interpretiert.
Trotzdem werde ich mir heute Abend ein eigenes Bild machen, vielleicht ist Schimanski, der inzwischen schon stramm auf die 70 zugeht, reifer geworden, altersweise, besonnener, vielleicht hat er sich ja ein bisschen beruhigt. Man kann der Aufforderung von Günter Eich
Seid misstrauisch gegen ihre Macht, die sie vorgeben für euch
erwerben zu müssen!
Wacht darüber, dass eure Herzen nicht leer sind, wenn mit der
Leere eurer Herzen gerechnet wird!
Tut das Unnütze, singt die Lieder, die man aus eurem Mund nicht
erwartet!
Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt!«
sicher auch folgen, ohne Leber- und Kinnhaken zu verteilen, ab einem gewissen Alter sind heißblütige Prügeleien einfach albern und unglaubwürdig; Sand im Getriebe der Welt kann man auch ohne die Beimischung von Schwarzpulver sein. Eindruck kann Horst Schimanski heute Abend bei mir jedenfalls nur mit einer gereiften Leistung schinden, wobei mir die Anzahl der getätigten „Scheiße“-Ausrufe ehrlicherweise am Arsch vorbeigeht egal ist.
Euch einen sanften Tag wünscht
moggadodde