Endstation Sehnsucht

Von den Klimakapriolen habe ich im Moment die Schnauze gestrichen voll genug. Ich möchte Pullover und Wolljacken ganz hinten im Schrank verstauen, die gefütterten Stiefel in den Keller und die Terrasse auf Vordermann bringen, damit ich meine Koffeinrationen draußen genießen und die Heizung drinnen abstellen kann, ich möchte endlich sehen, wie der Mandel- und der Kirschbaum blühen, ich möchte Grünzeug pflanzen und die frostempfindlichen Kübelbewohner aus dem Winterquartier schleppen und ich möchte warme, prickelnde Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht spüren, die nicht einer künstlichen Bräunungsanlage entspringen.

Gestern noch sah es hier noch so

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aus und auch Herr von Fallersleben hat mich mit seinem „Frühling“ nur eher unwesentlich aufheitern können:

Wohl ist der Winter die schlimmste Zeit!
Der Frühling, er ist so weit, so weit!
Von Grünen und Blühen keine Spur,
Am Fenster gefrorene Blumen nur.
Und dennoch tröst‘ ich mich: mir blüht
ein ewiger Frühling im Gemüt.
Ich kann in Gedanken dem Winter entschweben
Und trotz dem Winter im Frühling leben.

Doch, das gefällt mir, auch wenn ich dafür heute nicht die nötige Vorstellungskraft auf die Beine bringe …

Euch einen warmen Abend wünscht
moggadodde

Stockschwerenot

Nachdem Papier aus Bäumen gemacht wird, ist dies ein „Stock“ im wortwörtlichen Sinn, denn es geht um Bücher und nachdem Papier schwer wiegt (wer je mit Büchern umgezogen ist weiß, wovon ich rede) hat mich der Wurf von Herrn Mephisto, von dem ich immer noch nicht mit Sicherheit weiß, wie viele Hörner er nun sein eigen nennt, schwer getroffen. Von dem Schlag musste ich mich erst einige Seiten lang erholen, deshalb hat sich die Ausführung des in Auftrag gegebenen Stocks etwas hingezogen.

Gebunden oder Taschenbuch?
Aus Praktikabilitätsgründen ziehe ich ein TB vor, damit lässt sich einfach besser im Gemach herumlümmeln, weil ich es dann auch nur mit einer Hand halten kann während die andere dann für ebenfalls wichtige Unternehmungen frei ist. Hiermit meine ich auch Zudecke richten, im warmen Dinkelkissen wühlen, Störenfrieden den Stinkefinger zeigen oder in der Nase popeln, wenn es sich um ein langweiliges Druckerzeugnis handelt. Aber gebundene Bücher sind für mich etwas Kostbares …

Amazon oder Buchhandlung?
Wenn ich genau weiß, was ich will und die nächsten Tage nicht in einen Buchladen komme, dann der Versandhandel. Für Spontankäufe aber immer wieder gerne der innenstädtische Händler.

Lesezeichen oder Eselsohr?
Ich muss schon sehr bitten! Es steht doch völlig außer Frage, dass ich niemals und unter überhaupt gar keinen Umständen auch nur ansatzweise den Hauch eines Gedankens an die irrwitzige Idee verschwenden würde, einer Buchseite ein Eselsohr beizubringen! Ich verfüge über eine Kollektion von Lesezeichen, die je nach Laune und Buch zum Einsatz kommen und das ist mein Schönstes:

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Eselsohren, ich glaub’ ich spinne!

Ordnen nach Autor oder Titel oder ungeordnet?
Eher letzteres, wobei mit etwas gutem Willen eine vage Ordnung nach Themengebieten feststellbar ist. Reiseführer haben wohl bei Kochbüchern nichts verloren und Ratgeber für alle Lebenslagen nichts bei Belletristik. Aber da bin ich dann auch mal schlampig …

Behalten, wegwerfen oder verkaufen?
Nur schwer kann ich mich von etwas trennen, daher behalte ich Bücher eigentlich, außer einige, unsägliche Schmonzettenverbrechen, die ich mal geschenkt bekam. Verkaufen lohnt den Aufwand nicht, oh, doch eines habe ich mal verkauft: „Populärmusik aus Vittula“ von irgendeinem finnischen Autor. Das wurde, glaube ich, auch schon verfilmt …

Schutzumschlag behalten oder wegwerfen?
Es ist die sprichwörtliche Aufgabe des Schutzumschlags, das wertvolle Innere, das Buch, vor Kaffeerändern, Schokoladenflecken, Spermaspuren und fettigen Fingerabdrücken zu schützen. Warum zur Hölle sollte ich also einen Schutzumschlag wegwerfen?

Mit Schutzumschlag lesen oder ohne?
Siehe vorheriger Punkt – natürlich nur mit.

Kurzgeschichte oder Roman?
Egal, wenn mich die Thematik interessiert oder gar fesselt.

Sammlung oder Anthologie?
Wenn schon kurz, dann nur von einem Autor.

Harry Potter oder Lemony Snickers Schnitzel Snicket?
Weder noch. Am ehesten Eoin Colfer – „Artemis Fowl“. Oder nee … gar nichts davon … und für den Harry-Hype fehlt mir sowieso der geistige Zugang.

Aufhören wenn man müde ist oder wenn das Kapitel endet?
Wenn ich müde bin, definitiv. Egal, wie spannend das Buch auch ist, wenn mir die Augen zufallen, ist es gelaufen. Mit geschlossenen Augen kann ich ja schlecht lesen …

„Die Nacht war dunkel und stürmisch“ oder „Es war einmal“
In meinem Leben habe ich schon so viele Märchen gehört und selbst erzählt (den Kindern!), mein Märchenmaß ist voll!

Kaufen oder leihen?
Beides, aber leihen nicht aus der Bücherei. Wer weiß schon, an welch grausigen Orten das Buch bereits abgelegt wurde und wer möglicherweise seine Tuberkelbazillen auf Seite 395 gehustet hat? Nur aus sicherer Quelle wird geliehen …

Neu oder gebraucht?
Wenn ich kaufe, dann neu. Siehe oben.

Kaufentscheidung Bestsellerliste, Rezension, Empfehlung oder Stöbern?
Von allem ein wenig. Wobei ich nur einmal ein Buch auf Empfehlung von Herrn Arm-Radetzky gekauft habe: Javier Marias – „Mein Herz so weiß“ – Nicht nur, weil es sich reimt, ich empfand das Buch als großen Scheiß Fehlgriff. Will es jemand? Ich habe es noch hier und verschenke es an den ersten, der mir erklärt, warum er es haben möchte.

Geschlossenes Ende oder Cliffhanger?
Ich kann auch Filme nicht leiden, die einen wie den Ochsen vorm Berg stehen lassen nach dem Motto: Kannst dir selbst aussuchen, wie es endet. Das kann ich wohl, aber ich will wissen, wie du dir das Ende gedacht hast, lieber Schreiber.

Morgens, mittags, abends, nachts?
Am liebsten morgens, wenn ich allein daheim bin, so ca. 7.00 Uhr. Alle verabschieden sich und ich liege im warmen Bett mit einem guten Buch. DAS ist Luxus, Leute, und es ist gut möglich, dass mich gegen 7.30 Uhr nochmals ein akutes Schlafbedürfnis überfällt …
Abends aber selbstverständlich auch. Ich kann nicht einschlafen, wenn ich vorher nicht gelesen habe, egal was vorher war – ausufernde Party, feuchtfröhlicher Abend, vergnügliche Bettspiele – ich muss noch einmal lesen und wenn es nur eine Seite ist, was mir regelmäßig bittere Dispute mit dem MamS beschert.

Einzelband oder Serie?
Ersteres.

Lieblingsserie?
Desperate Housewives

Lieblingsbuch, von dem noch nie jemand gehört hat?
Seit vielen Jahren ist das „Der Frauenplan“ von Ingomar von Kieseritzky, Untertitel „Etüden für Männer“, obwohl es eigentlich ein Männerbuch ist, falls es so etwas überhaupt gibt, mit perfekt geschliffenen Sätzen, in denen sich die Worte wie Perlen auf einer zartgliedrigen Kette aneineinanderschmiegen. Der im Grunde stinkfaule und beziehungsunfähige Goff lernt auf einer Kreuzfahrt die blinde Nadine kennen … Herr Kieseritzky ist übrigens der Erfinder des sehr prosaischen Wortes „Jadestengel“. Einmal jährlich ein Muss. Also das Buch, nicht der Stengel.

Lieblingsbuch vom letzten Jahr?
Frau Buschheuer mal wieder, zwei ältere Werke zwar aber „Masserberg“ und „Ruf!Mich!An!“ sowie David Sedaris mit „Nackt“ und „Ich ein Tag sprechen hübsch“. Bei ihm kann ich mich vor Lachen nicht halten und deshalb besteht für mich Sedaris-Leseverbot im Bett.

Welches Buch liest du gegenwärtig?
„Die zwölf Geschorenen“ von Douglas Lindsay um einen Friseur und Serienkiller wider Willen. Sehr spaßig …

Lieblingsbuch aller Zeiten?
Keine Ahnung! Meinen Leben ist doch erst zur Hälfte vorbei! Die Frage bitte ich mir in 40 Jahren nochmals zu stellen!

So, jetzt hattet ihr viel zu lesen und wenn ihr bis hierhin durchgehalten habt: Reschbeggd! Wenn nicht und ihr seid vor Langeweile bereits eingedöst, bedankt euch morgen bei Herrn Mephisto. Wer mich mit Stöckchen aus der Reserve lockt muss eben bitter büßen …

Euch einen unterhaltsamen Abend wünscht
moggadodde

Geheilt, ich bin geheilt!

Das ging aber schnell: Dank der Aciclovir-Kur sind meine Lippen in Rekordzeit genesen. Ich bin hingerissen

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und bin so relativ schnell endlich wieder in vollem Umfang gebrauchsfähig.

Das Fremdwort des Tages lautet

kordial

und das bedeutet soviel wie „herzlich“ (vgl. „cordialmente“ im Italienischen).
Sehr kordial danke ich also meinem Hausarzt, Herrn Dr. M. aus H. dafür, dass er mir trotz knappen Budgets diese wirkungsvolle Medikation rezeptiert hat.

Euch einen schneefreien Tag
moggadodde

Kein Anschluss unter dieser Nummer

Ein Blick aus dem Fenster hätte mich warnen müssen: Kratzen war gestern angesagt, die Art Eis, die sich aus Regen bildet und hartnäckige kleine Eisnasen auf den Scheiben hinterlässt. Ich schrubbte und kratzte was das Zeug hielt und erst der dritte Plastikkratzer versah leidlich seinen Dienst. Trotzdem fuhr ich mit Gucklöchern los, natürlich verspätet. Kaum auf der Piste wies mich die Tankanzeige erneut piepsend darauf hin, dass ich mal wieder Kraftstoff auffüllen sollte und kurz vor den Katakomben hält auch Herr Jet Nachschub bereit. Dummerweise waren die Straßen ziemlich gut gefüllt, ich war ja spät dran, und langsam begann ich zu schwitzen, als ich zum fünften mal vor der selben Ampel halten musste. Kennt ihr dieses Gefühl? Eine Stimme im Kopf die sagt: „Ach, das reicht noch locker bis zur Tanke“ und eine andere, die kichert und sagt: „Na, du blöde Kuh? Wieder mal vergessen zu tanken? Wart mal ab, auf die Nordtangente kommst du ja noch aber dann ist Ende Gelände!“ Im Geist überlegte ich mir schon mal einen lockeren Spruch, mit dem ich ein Auto anhalten und den Fahrer bitten würde, mich mitzunehmen: „Entschuldigen Sie“, würde ich sagen, „Sie haben nicht zufällig einige Tröpfchen Super zuviel an Bord? Nein? Oh, vielleicht sind Sie so freundlich und nehmen mich ein Stück mit?“, das war aus einigen Alternativen der Endsieger. Ich brauchte keine Heizung mehr, so heiß war mir geworden und jede rote Ampel erhöhte meinen Puls und mehr als die Straße beobachtete ich die Tanknadel, die wie meine Stimmung immer weiter ins Bodenlose fiel.

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Sicher mit dem buchstäblich letzten Tropfen Sprit schleppte sich mein treuer Micra vor die Zapfsäule und ermahnte mich wieder, dass ich mich demnächst rechtzeitig um Nachschub kümmern müsse.
Eigentlich ist die „Hilfe!-Ich bin liegengeblieben“-Nummer aber keine schlechte Idee um neue Bekanntschaften zu knüpfen, habe ich mir überlegt, aber nachdem mich Thomas Anders ja aus dem Schlaf gewimmert hatte und zwei Fingernägel dem scheinbar ewigen Eis zum Opfer gefallen waren, war ich leicht angesäuert und für derlei Abenteuer nicht aufgelegt.
Falls ich aber irgendwann einmal der Sinn nach neuen Kontakten, gleich welcher Art, stehen sollte, würde ich auf jeden Fall auf diese Nummer zurückkommen. Möglicherweise hätte die Dame, die diese Anzeige

„Hallöle! Gesucht wird eine Person, die ‚hübsch‘, charmant und ’sexy‘ ist! Ich, 25-j. Sie -‚Engelchen mit spitzen Zähnchen‘ *blinzel* – bin also in Sicherheit haha! Aber wo zum Teufel hast du dich versteckt? Mal sehen … 1, 2, 3 ich komme :)“

geschaltet hat, auch ihren Tank leerfahren sollen. Bin ich zu alt oder zu verknöchert oder schlicht und ergreifend zu dumm, um diese Anzeige zu verstehen? Warum setzt die Inserentin die Worte „hübsch“ und „sexy“ in Anführungszeichen? Warum ist jemand, der seine Zähne anspitzt, automatisch in Sicherheit? Was ist das, eine Schnitzeljagd? Ein Spiel? Irgendeine verschlüsselte Nachricht? Und die Anrede „Hallöle“ ist ja sowieso vollkommen indiskutabel und würde mich als „Person“ umgehend in die Flucht schlagen. Für den Fall, dass ihr, was ich entre nous gesagt nicht glaube, kapiert, was das Engelchen damit sagen möchte und interessiert seid, ich habe ihre Mobilfunknummer, sie erbittet Kontaktaufnahme per SMS.

Wenn ich per Zeitungsinserat eine Bekanntschaft suchen würde, käme ich allerdings ziemlich billig weg. „Frau Mogga sucht tageslichttauglichen Mann“, wäre der Text meiner Wahl und ich würde mich überraschen lassen. Vielleicht würde ich aber auch nur einfach den Tank leerfahren so tun, als wäre ich liegengeblieben und am Straßenrand auf eine passende Mitfahrgelegenheit warten …

Euch einen formidablen Tag wünscht
moggadodde

Attentat mit Anders

Welcher gemeine und hinterhältige Meuchelmörder hat gestern an meinem Radiowecker manipuliert?

Oh, I can’t explain
Every time it’s the same
Oh I feel that it’s real
Take my heart
I’ve been lonely to long
Oh, I can’t be so strong
Take the chance for romance, take my heart
I need you so
There’s no time I’ll ever go

tönte es leise aber durchaus deutlich vernehmbar zu meinen müden Gyrus vor. Ich kenne das, dachte ich, und langsam sah ich zwei in Ballonseide gewandete, dunkle Gestalten vor meinem geistigen Auge auftauchen, schon ging es weiter …

Cheri, cheri lady
Going through a motion
Love is where you find it
Listen to your heart
Cheri, cheri lady
Living in devotion
It’s always like the first time
Let me take a part

In meinem noch halb schlafenden Zustand war ich quasi wehrlos und unfähig um dem Spuk durch einfaches Ausstrecken meines rechten Armes ein Ende zu bereiten. Nein, Dieter B. und Thomas A. jaulten sich weiter einen Tunnel durch mein Großhirn. Modern Talking in aller Herrgottsfrühe und ich bin fast vollkommen wehrlos. Die Geheimorganisationen dieser Welt sollten damit mal ein bisschen experimentieren. Zur richtigen Zeit damit malträtiert, ist der beste Agent binnen kurzer Frist ein geistiges Wrack.

Euch einen ungefährlichen Tag wünscht
moggadodde