Normalerweise habe ich wenig Anlass, mich selbst mit meinen Brüsten zu beschäftigen, außer der Tatsache hinterherzuweinen, dass in den letzten Jahren Schwerkraft und Bindegewebe eine unselige Allianz miteinander eingegangen sind. Allerdings macht ein Brief, der heute im Kasten war, dass ich mehr über die beiden nachdenken muss, als ich möchte.
Mit 50 werde ich als beginnender Silver Surfer nicht nur als werberelevante Zielgruppe für spezielle Produkte interessant, sondern via Melderegister in den Pool der Frauen geschwemmt, die ab diesem Geburtstag alle zwei Jahre eine Einladung zum Mammographie-Screening-Programm zur Früherkennung von Brustkrebs erhalten. In diesem Schreiben ist bereits ein Termin in einer Radiologiepraxis für mich genannt, ein Fragebogen und eine Aufklärungsbroschüre komplettieren die Post.
„Klar, machste!“, sagte der MamS, der bei Gesundheitsvorsorgefragen zuverlässiger ist als das Finanzamt bei Nachforderungen, aber ich war mir nicht so schnell so sicher. Irgendwo im Hinterkopf hatte ich Diskussionen um eben dieses Mammographie-Screening, abgespeichert in Zeiten, in denen Abtasten beim Duschen und beim Gynäkologen reichten.
Hingehen, Brüste in die Apparatur spannen lassen, röntgen. So weit, so gut. Sieben Tage später sollte das Ergebnis im Briefkasten sein. Ist es negativ, ist alles paletti und zwei Jahre später wird wieder eine Einladung erfolgen. Ist der Befund auffällig, wird es kompliziert. Weitere Untersuchungen folgen, möglicherweise ist eine Biopsie nötig, die die letzte Gewissheit bringt über Gut- oder Bösartigkeit der entdeckten Veränderung.
Diese Zeit würde entsetzlich werden, gefangen zwischen Bangen und Hoffen, dass es sich doch um einen falsch-positiven Befund handelt. Von 2.000 Frauen, die zehn Jahre lang zum Screening gehen, wird eine vor dem Tod durch Brustkrebs gerettet, aber zehn gesunde Frauen werden unnötig behandelt, mehr als 200 werden wegen eines anfänglichen Fehlalarms bis ins Mark verängstigt. Zudem besteht die Möglichkeit der sogenannten „Ãœbertherapie“, wenn nämlich ein Geschwulst behandelt wird, das ohne Entdeckung während Lebzeiten, bis man also an irgendeinem anderen Krebs verendet, niemals Probleme gemacht hätte. Weil das aber schwer zu unterscheiden und mit der Gefahr nicht leicht leben ist, wird die übliche Therapie eingeleitet, über die ich gar nicht näher nachdenken will.
Eine kanadische Studie hat das Leben von fast 90.000 Frauen mit und ohne jährliche Mammographie über 25 Jahre verfolgt: Die Sterberate beider Gruppen war annähernd identisch, obwohl mit Mammographie mehr Brustkrebs diagnostiziert wurde.
Ich habe heute also sehr viel über meine Brüste und was ich damit anstelle, nachgedacht. Meine Kinder stillte ich nicht, was das Risiko erhöht, meine Oma verlor eine Brust des Krebses wegen, was den Faktor ebenso nicht senkt. Und mir ist es eigentlich lieber, ich erführe frühzeitig von etwas, was mich umbringen oder mein Leben radikal verändern würde, so früh, um es vielleicht noch zu therapieren. Jetzt gerade tendiere ich mehr zur Teilnahme am Screening-Programm. Aber ich werde in den nächsten Wochen wohl noch öfter über meine Brüste nachdenken müssen.
Brustfixiert
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