Es hört nicht auf …

Damit ihr und inzwischen auch ich selbst nicht ganz den Überblick über die Geschehnisse um meinen Vater verliere, berichte ich nur ganz schnell:
Gestern Abend wurde mein Vater völlig überraschend von der HNO-Intensivstation in die Anästhesie-Intensivstation verbracht, weil sich eine Wasseransammlung in der Lunge gebildet hat, die mittels Punktion entfernt wurde und deren Herkunft nicht klar ist, nachdem aber die Nieren versagt haben, musste die in meinen Vater eingebrachte Flüssigkeit ja irgendwo hin. Ganz nebenbei wurde dort sein Herz als sehr stark vergrößert festgestellt, was dort nun ebenfalls Probleme mache. Als ich heute früh anrief, wurde mir gesagt, dass der Zustand nicht besser und nicht schlechter geworden sei, allerdings habe er einen Herzinfarkt erlitten, was erst die Auswertung der gestrigen Untersuchung ergeben hat und was alles noch einmal verändert. Er wird jetzt wieder beatmet und ist im Koma.

Ich bin sicher, dass wir die Vorboten dieses Infarkts am Donnerstag Abend gesehen hatten, ich hatte ja von seiner Unruhe erzählt und dass er ja dort wieder völlig neben der Spur war und ja nicht sprechen konnte. Als die Schwester ihm verschiedene Fragen nach Schmerzen stellte, verneinte er diese aber die Frage nach einem Druckgefühl in der Brust hat er bejaht, das weiß ich noch genau. Die dazugerufene, verblödete „Ärztin“, die ihn sich dann ansah und einfach verschwand, konnte ja nichts feststellen, aber ich bin jetzt sehr sicher, dass der Infarkt in dieser Nacht passiert sein muss und keiner von den schwachköpfigen Idioten hat meinen Vater ernst genommen und etwas gemerkt.

Das ist also der neueste Stand und inzwischen nehmen wir die schlechten Botschaften nur noch hin. Ein Ende dieses Albtraums ist scheinbar noch nicht in Sicht aber so langsam gehen selbst mir die Worte aus, die meine Mutter, meinen Bruder und mich selbst auch nur annähernd trösten können. Und allmählich gelange auch ich zu der Ansicht, dass er das alles nicht überleben kann.

moggadodde

Bloghaus-Blues

In den letzten 365 Tagen habe ich gelernt, dass in der „Blogosphäre“ ganz besondere Luftverhältnisse herrschen, dass der Begriff „Auflagenhure“ nichts mit einer weichen Bettstatt verbindet, dass „Abmahnanwälte“ nichts mit dem Arbeitsrecht zu tun haben und dass der „Schwanzvergleich“ durchaus auch virtuell und nicht nur in Feuchträumen stattfindet.

Ich habe mein persönliches Unwort gekürt, das „Kleinbloggersdorf“ heißt, einfach grauenhaft, und ich habe für mich festgestellt, dass das Bloggen erstklassig dazu geeignet ist, Frustrationen zu kanalisieren, Langeweile zu überbrücken, Freude zu teilen und dass sich Exhibitionismus nicht unbedingt auf das Nackigmachen im Stadtpark beschränkt, denn, sind wir ehrlich, ein wenig zeigefreudig ist jeder Blogger, gar nicht so sehr im körperlichen Sinn als viel mehr im Seelischen.

Ich habe im vergangenen Jahr viel Quatsch verzapft, im Stillen nicht selten eine Meinung revidiert oder mich im Nachhinein gefragt, ob ich mit der einen oder anderen Äußerung übers Ziel hinausgeschossen bin. So zähle ich z.B. die anfangs geschmähte „ausgetrocknete Dauerwelle“ aus den Katakomben heute zu meinen liebsten Kolleginnen und nehme dank ausdauernder Schreibtherapie die Macken des MamS sowie meine eigenen nicht mehr ganz so ernst.

An dieser Stelle danke ich Euch allen, die ihr hier mit treuem Regelmaß vorbeischaut, dass ihr mich mit euren Kommentaren aufmuntert oder zu denken gebt, dass ihr mich mit Trost verseht, wenn die Familienkacke dampft oder die Verzweiflung beutelt und euch mit mir freut, wenn zur Abwechslung einmal etwas rund läuft. Außerdem danke ich dem Rosa Riesen für die Zurverfügungstellung einer schnellen Leitung und meiner Familie für das geduldige Hinnehmen blogbedingter Absencen meiner Person und den zuverlässigen und meist unbeabsichtigten Nachschub an oft skurrilen Begebenheiten.

Weil ich die Rubrik „Vokabularium“ in letzter Zeit ein wenig schleifen ließ, zum Jubiläum ein besonders schönes

Fremdwort des Tages,
Autopoiesie,

hört sich blumig an und beschreibt das Talent, sich selbst erhalten, wandeln oder erneuern zu können. Das ist, finde ich, in diesen Zeiten eine Fähigkeit, die unbedingt gefördert oder aufgebaut werden sollte!

Ja, es tut noch immer gut. Ihr tut mir gut. Und ich mache weiter.

Euch einen denkwürdigen Tag wünscht
moggadodde

Huredreggsgeraffel!

Dieser Eintrag wird kein guter Eintrag und ich weise eingangs gleich darauf hin, dass sich in diesem Text einige schlimme, um nicht zu sagen unflätige Worte fallen werden, die ich so normalerweise nicht in die Tasten bringe, aber ihr seht es mir sicher nach und wenn nicht ist es mir auch wurscht.
Gestern freute ich mich tierisch, als ich meinen Vater sah, wach, relativ interessiert, ohne Katheter und nur mit dem Schlauch in der Nase und der Kanüle im Hals. Er lachte, als ich im erzählte, dass die Bayern Bernd Schuster als Trainer wollen und ich dachte, das Schlimmste ist vorbei und ab jetzt geht es aufwärts. Brüderchen und ich wollten einen Arzt sprechen, um zu erfahren, wie das jetzt weitergeht, und oh Wunder, es war sogar einer da, der uns bat, nochmals ins Zimmer zu gehen, er würde uns gleich holen. Als wir nach einer halben Stunde fragten, was denn wäre, sagte uns ein Pfleger, der Dr. E. sei jetzt weg. „Wie weg?“ fragte ich blöde. „Zur Fortbildung“, sagte der glatzköpfige Pfleger. Ziemlich böse machte ich meinem Unmut Luft und der Pfleger musste es ausbaden aber das war mir egal. Heute rief ich Dr. E. persönlich an und er meinte, ich müsse das verstehen, er hätte viel zu tun, blablabla, wir machten für heute 17.00 Uhr einen neuen Termin.
Als ich ankam, erfuhr ich, dass mein Vater heute Nacht randaliert habe. Er zog sich die Schläuche und machte Bambule und jetzt wurde er ausquartiert und in eine Einzelzelle gelegt, wo er sich seine Sonde noch dreimal herausrupfte. Seine Nierenwerte sind wieder unter aller Sau, die wassergefüllten Beine sehen aus wie Elefantenstampfer, er ist wieder vollkommen aus der Spur, halluziniert und wollte die Schwester ohrfeigen.
Nachdem Dr. E., der schnöselige Arsch, sich mit uns Kindergesindel eines minderwertigen AOK-Versicherten scheinbar nicht abgeben wollte, sprachen wir mit einem Dr. U., einer Zierde seiner Zunft, der uns eine geschlagene halbe Stunde in einem richtigen Besprechungszimmer Rede und Antwort stand und alle Fragen hoffentlich ehrlich und tatsächlich verständlich beantwortete. „Durchgangssyndrom“ nennt er das, was mein Vater da jetzt hat, nicht selten nach einem schweren Eingriff bei einem älteren Patienten, vor allem, wenn er, wie sich eine Schwester nonchalant ausdrückte, „nicht ins Bier gespuckt“ hat.

Wir waren lange im Krankenhaus, auch weil Vater vollkommen hyperaktiv auf seiner viel zu kleinen Pritsche umherzappelte, wo ein 2-Meter-Mann auch unter günstigen Umständen verflucht nochmal keinen Schlaf finden kann. Mit Gesten deutete er an, dass er zur Toilette müsse, wir sortierten Schläuche und versuchten verzweifelt, den verdammten Infusionsständer durch die zu enge Tür zu bugsieren. Wieder im Bett fing er an zu hyperventilieren. Er atmete in die Tüte, zwischendrin spritzte beim Husten gelber Schleim aus der Kanüle und er beschrieb mit den Händen einen Druck auf der Brust. Die gerufene Ärztin schickte uns raus, untersuchte ihn, kaum raus, murmelte was von „komm gleich“ und verschwand auf Nimmerwiedersehen, die beschissene Kuh! Ich also nach einer Zeit wieder ins Schwesternzimmer, was denn nun wäre und dort hieß es, alles sei in Ordnung mit dem Bauch und dem Herzen und er und die Station würden wohl eine ereignisreiche Nacht haben. Der Umstand, dass seine Einzelzelle im allerletzten Dreckseck liegt, im fünften Stock mit einem gottverdammten, riesigen Schiebefenster gibt mir Anlass zur Sorge und als ich vorhin nochmals anrief, hatten sie ihn schon ins Schwesternzimmer gestellt, damit er unter Kontrolle ist.

Nachdem ihm die Entfernung der Lymphknoten im Hals noch bevorsteht, diese aber erst gemacht werden kann, wenn die Nierenwerte besser sind, wird er a.) noch einige Zeit im Krankenhaus bleiben und b.) mit ziemlicher Sicherheit genau den gleichen himmelscheißeverdammten Gehirnzirkus mitmachen müssen wobei niemand sagen kann, ob da nicht was zurückbleibt. Der Besuch aus der Nervenklinik hat ihm ein Neuroleptikon verordnet und so langsam muss so ein Organismus ja schlapp machen bei all den verfluchten Medikamenten, die er intus hat.

Huredreggsgeraffel!“ und „Bluatsakrament!“ sind die Lieblingsschimpfworte meines Vaters, gerne und oft benutzt. Und genau das will ich wieder von ihm hören, richtige, herzhafte, ehrliche Flüche, wenn irgendwas nicht hinhaut, wie er sich das vorstellt, was unter normalen Umständen recht häufig der Fall ist.
Langsam aber sicher macht mir dieses Auf und Ab noch schlimmer zu schaffen als sein hilfloser Zustand auf der Intensivstation. Natürlich trägt seine ungesunde Vorgeschichte ihr gerüttelt Maß Mitschuld am jetzigen Zustand, aber, scheißenochmal, er soll wieder werden, scheiß auf die Magensonde und die Scheiß-Kanüle, die drinbleibt bis die beschissene Bestrahlung vorbei ist. Aber bitte, bitte lass ihn im Kopf wieder klar werden, lass ihn nicht als Gehirnkrüppel enden, gefangen in seiner eigenen Welt, die uns verschlossen ist.

Ich will, dass alles wieder gut wird.

moggadodde

Don’t be my valentine!

Die gewinnträchtige Erfindung „Valentinstag“ inspiriert jährlich die Liebenden in aller Welt zu allerlei mehr oder weniger einfallsreichen Ergüssen und Zuneigungsbekundungen und die zahlreichen Zeitungsannoncen für „Teufelchen“, „Bussibär“ und „Männle“ ziehen immer meine Aufmerksamkeit auf sich. Dass ich diesem zweifelhaften Konsumhype anlässlich dieses bescheuerten Blödsinns ablehnend gegenüber stehe, muss ich nicht betonen und ich halte es für mehr als passend, dass dieser Tag in den zeitlichen Zusammenhang mit der sogenannten „5. Jahreszeit“, der Wochen des verordneten Frohsinns, fällt.
Aber diese Anzeige

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hat mich schon schockiert. Wenn die Schreiberin sagt, „Bärchen“ sei „seit 30 Jahren“ ihr „Lieblingsbär“, so impliziert diese Aussage nach meiner Meinung, dass sie noch andere Bären am laufen hat, jener aber eben ihr liebster Bär sei. Also mich als betroffenen, monogamen Bären würde das ziemlich aufhorchen lassen und außerdem, wer seine Herzdame „Hausmuh“ nennt ist ja wohl ein „Mastochse“ und kein Bärchen und wenn sich die Herzdame selbst auch noch so tituliert, dann ist ja wohl Hopfen und Malz verloren.
„Hausmuh“ – ich fasse es nicht.

Euch einen fröhlichen Tag wünscht
moggadodde

Mental-Marathon

Ich möchte jetzt niemanden neidisch machen, aber ich sage es jetzt trotzdem: Ich habe Urlaub! Zwei Wochen! Nach dem heutigen Tag in den Katakomben habe ich diesen allerdings auch redlich verdient. Schon eine Viertelstunde nach Anpfiff streikte die Bahn, was unnützes Herumstehen ergab, weil irgendwann Ohne in uninteressante Details zu verfallen sei nur bemerkt, dass ich angesichts meines heutigen, unerklärlicherweise recht desolaten Gemütszustandes herzlich gerne alle, bis auf drei der anwesenden Damen mit einem Dauerfeuer aus meiner imaginären Kalaschnikow niedergestreckt hätte! Zu allem Ãœberfluss hatte ich es direkt mit Frau Walfisch gegenüber zu tun, die sich mehrmals über ein am nächsten Platz von Frau Sprechmaschine eingesetztes, zugegebenermaßen penetrantes Deodorant mokierte. Gerade sie, die oft stinkt wie ein Harzer Roller! Ich hatte es satt, als sie gegen 11.00 Uhr einen Palettenschubser zum tausendsten Mal „Paulchen“ ruft, obwohl er nicht so heißt, ich hatte es satt, ca. zwanzig Mal, wenn jemand versehentlich den Lichtschalter ausknipst: „Feierabend, jetzt gemmer heim!“ zu hören, ich hatte das postpubertäre Geschwafel des mir zugeteilten Azubis satt, der mir von seinen „voll geilen“ Sauforgien am Mainufer berichtete, ich hatte das zänkische Gekeife zwischen den Kittelschürzen satt und irgendwann hatte ich mich selbst satt, weil ich ständig darüber nachdachte, wie sehr ich alle anderen satt hatte …

Endlich, endlich war Feierabend und ich besuchte meinen Vater, der die Intensivstation heute verlassen hat, was mich aber alles andere als beruhigt. In einem Zimmer JWD lag er lediglich mit der Halskanüle und einem Nasenschlauch, unfähig zu sprechen zwar, aber sehr wach. Schlimm wurde es, als er husten musste, panisch wurde, der Schwester klingelte, die ihm den Schleim absaugte. Er las die Zeitung und ich freute mich, als er etwas aufschrieb, aber als er mir den Zettel gab, verging mir das Lachen gründlich. Er sei „montags, dienstags und mittwochs als Kameramann in München gewesen“, schrieb er. Dort sei er „Darsteller eines kranken Mannes“ gewesen, „24 Stunden je Tag“. Das käme „auch als Film raus“ – und er meinte es ernst. Noch mehr verängstigt bin ich jetzt, da er auf der „normalen“ Station liegt, wo er nicht exklusiv gepflegt wird, sondern eine Pflegekraft für sehr viele Kranke zuständig ist und ich habe gesehen, wie er panisch reagiert, wenn nicht sofort jemand kommt … Am meisten beunruhigen mich allerdings die immer noch gegebenen Hirnleistungsstörungen. In einem Krebsforum habe ich mich jetzt auch angemeldet und versuche dort brauchbare Angaben zu erhalten

Am Abend musste ich dann zu allem Überfluss noch ein Frauengespräch mit Dixie führen, die in Verhütungsfragen jetzt endlich zugänglich geworden ist und das ist ein Thema, das mir schon länger unter den Nägeln brennt und jetzt endlich angegriffen wird, sowie ein Grundsatzgespräch mit Hank bezüglich der mangelnden Hausaufgabenerledigung an meinen Arbeitstagen.

Die Meteorologen sprechen gern von „gefühlter Temperatur“. So kann diese, wenn es bei knappen Minusgraden windig ist, schnell auf „gefühlte Minus 15 Grad“ kommen. Kann es wirklich sein, dass auch dieser Tag nur 24 Stunden hatte? Die „gefühlte Tageslänge“ betrug bei mir heute mindestens 34 Stunden …

Euch eine lange Nacht wünscht
moggadodde