Sie braucht mich und sie wird mich bekommen, sie weiß es nur noch nicht. Ich stehe Stunde um Stunde in der Schmuckabteilung im „Geschenkeland“, drücke mich um die gläsernen Schaukästen herum. Im Trubel der besinnlichen Zeit verschmelze ich mit den Massen kaufwütiger Menschen und errege keinerlei Aufmerksamkeit, obwohl ich jeden Tag hier bin. Die Verkäuferinnen haben genug damit zu tun, überteuerte Preziosen an die Kundschaft zu bringen und verwenden ihre Kraft darauf, sich ihre Unlust nicht anmerken zu lassen. Meine Liebe sitzt auf ihrem unbequem aussehenden Drehstuhl, fleißig und freundlich wie immer. Sie trägt heute wieder den hellbraunen Pullover und ihr langes, blondes Haar ist offen. Ich weiß alles über sie. Sie kennt mich noch nicht aber ich kenne sie und ihr Leben so gut wie mein eigenes. Ihr Tagesablauf ist mit einigen, kleinen Ausnahmen, immer gleich. Sofort nach der Arbeit geht sie zu ihrem gelben Auto, kauft noch einige Kleinigkeiten und fährt danach gleich in ihre kleine Erdgeschosswohnung, wo sie allein in der Küche sitzt, schwermütig machende Musik auflegt und darauf wartet, dass der einsame Abend ein Ende nimmt. Sie wäscht am Mittwoch die Bunt- und am Freitag die Kochwäsche. Jeden 2. Samstag im Monat geht sie ins Kino (allein) und donnerstags besucht sie ein Studio, um ihre aufregende Figur zu behalten. Ich sehe sie auch hier, beobachte ihr Muskelspiel und es erregt mich zuzusehen, wie sich auf ihrem grauen Shirt immer größere Schweißflecken bilden. Bald, sehr bald wird sie mir gehören. Unsere Körper werden vereint, unsere beiden Herzen werden im Rausch der ersten, lange ersehnten Liebesnacht ins Feuer der ungebremsten Leidenschaft geworfen werden und hervorgehen als ein einziges, pulsierendes Organ, mit der Kraft von 10 Sonnen.
Fortsetzung folgt …