Eigentlich haben wir hier in Casa Mogga die Losung ausgegeben, Beutelschneiderspektakel wie Mutter- und Vatertag geflissentlich zu ignorieren.
Selbstredend freute ich mich einst über krakelige Gemälde mit windschiefen Blumen, Baumkrüppeln und Menschenabbildungen, die Familienaufstellungen ähnelten und begutachtende Psychotherapeuten in den Suizid getrieben hätten. Ebenso war ich entzückt über getonte Schälchen Aschenbecher, Dinosaurier und gewebtes Flickwerk, das schon bei Erhalt die Frage aufwarf, wie es alsbald und unauffällig den Weg in Keller oder Müll finden könnte. Aber das war in Kindergartenjahren und kostete nichts außer Zeit, die die Kleinen dort ohnehin im Überfluss hatten.
Gekaufte Geschenke zu diesen Anlässen braucht kein Mensch. Besser, man pflegt auch unterm Jahr ein herzliches, liebevolles und vernünftiges Miteinander, trotz aller Streits und Differenzen, die das Salz in der Sippschaftssuppe sind, als sich einmal im Jahr mit einem Geschenk freizukaufen und für die Restzeit wie ein verdammter Arsch mit Ohren zu gebärden.
Trotzdem lassen es sich meine Schoßfrüchte nicht nehmen, an den Stichtagen mit einer Kleinigkeit aufzutauchen. Ob eine Toblerone im Warentrennerformat oder Tankstellenblumen in Knisterplastik: Natürlich freue ich mich trotzdem, wäre aber absolut nicht enttäuscht, wenn das alberne Muttertagsgewünsche ausbliebe. Ich weiß selbst, dass ich Mutter bin und brauche niemanden, der mich daran erinnert.
Besonders der kleine Hank ist allerdings ein hartnäckiger Muttertagshypeverweigerer-Veweigerer. Und als ich vorhin in seinem Zimmer die geleerten Wasser- und Saftflaschen aus dem offenbar zu großen Bett pflückte, hielt ich plötzlich eine Flasche feinsten Schaumbads in Händen. „Oh!“, entfuhr es mir und kaum hatte ich’s gesprochen, verfluchte ich meine schnelle Auffassungsgabe. Im Bruchteil von Sekunden wusste ich, was und für wen das Fundstück war, zum unbemerkten Zurücklegen war es zu spät. „Na, klasse, Mudda!“, nölte das Kind und „Du bist so blöd, ey!“, eine Verbalinjurie, die unter normalen Umständen zu angemessener Reaktion, angesichts des Geschehenen aber mitnichten zum Verdruss meinerseits führte. Ich rechtfertigte mich, dass ich immerhin so gütig war, dort tagelang gehortete Pfandflaschen aus seiner verramschten Schlafstatt zu entfernen, wusste aber um die Dimension des Angerichteten. „Oh Mann, tut mir leid!“, beteuerte ich, aber er war noch ein bisschen eingeschnappt. Dann beschied ich, dass wir ganz einfach heute den eben erfundenen „Deine Mudda-Tag“ begehen. Am Sonntag feiern könnte schließlich jeder.
Mit einem Gläschen Sprizz betrat ich das Zimmer erneut und ließ mir feierlich das Limetten-Minze-Schaumbad überreichen, bedankte mich und ließ mir mangels Lesebrille die Ingredenzien vorlesen. Er sprudelte heraus, dass sein Kumpel das Gleiche für dessen Mutter gekauft habe und dass er eigentlich das mit der Bezeichnung „Jungbrunnen“ nehmen wollte, was ihm aber dann blöd vorgekommen sei weil es bedeute, dass er mich für alt halte und das wollte er nicht und deshalb das Produkt mit dem Namen „Lebensfreude“ gewählt habe. Das Schaumbad reiche für 8 Vollbäder, referierte er aus dem Stegreif, und sei auf Hautverträglichkeit untersucht. Außerdem passe es auch optisch zu den Duschbädern, die ich im Bad auf dem Fensterbrett horte. Meine Güte. Macht dieses Kind sich einen Kopf!
Nun passierte es nicht zum ersten mal, dass mir in seinem Zimmer aus völlig unverfänglichen Absichten Geheimobjekte in die Finger fallen, zuletzt, als ich beim Einräumen von Bettwäsche in seinem Schrank auf eine Flasche Vodka mitsamt Jägermeisterbegleitung stieß. Auch wenn ich froh war, dass mir diese verbotenen Promillefrüchte so schnell in die Hände fielen (es fehlten nur zwei Fingerbreit, angeblich gruppenverkostet bei einer Faschingsparty im Nachbardorf), braucht es schon eine gehörige Portion Naivität, um solch absolute Heimlichware an so offen zugänglichen Orten zu deponieren.
Die Erziehungsstrategie hinsichtlich Mutter- und Vatertag hat nicht funktioniert. Aber es gibt ja noch genug didaktische Felder zu bestellen. Die nächste Übungseinheit wird sein, wie man erfolgreich Dinge vor seiner Mutter versteckt: Unterm Bett. In einer Ecke des unverschlossenen und chaotischen Kellers. Im Abfalleimer des Zimmers. In den Winterjackentaschen. Zwischen Schulkrempel. In einer der 20 vorhandenen Muffelsporttaschen. Das alles sind Orte, die ich aus Gründen auch aus Versehen nicht frequentieren würde. In seinem Alter hatte ich todsichere Verstecke für alle Arten von Geheimware, die meine Mutter nicht mal mit gezielter Suche und einem Detektor hätte ausfindig machen können! Himmelnocheins! Muss man der Jugend von heute denn alles beibringen? Die brauchen doch nicht nur Geheimnisse, sondern auch Tricks, wie sie im späteren Leben Geschenke vor dem vorzeitigen Zugriff ihrer Lieben schützen!
Eine lehrreiche Nacht wünscht
moggadodde