Unter Schulter- und anderen Dächern

Die Trauerwoche ist vorbei. Wie ich heute testete, kann ich an dem Haus, das nun doch nicht wieder „unser“ Haus wird, immerhin vorbeifahren, ohne einen Stich in der Magengend zu spüren. Wenn ich nicht hinsehe, gelingt es ganz gut.
Ein Stück meines fast krankhaften Tunnelblick-Optimismus‘ habe ich wohl endlich eingebüßt. Dass ich mit etwas Abstand immer tiefer davon überzeugt bin, dass nicht Vorsehung, sondern Vetterleswirtschaft im Spiel war und wir nur als Mietinteressenten-Darsteller fürs Protokoll agierten … scheiß der Hund drauf Schwamm drüber.

Tunnel

Tunnel

Viel wichtiger ist der Tunnelblick des Operateurs, der dem MamS gleich das Chaos unter dem Schulterdach richtet. So, wie ich das als ambitionierter Laie übersehen kann, wird das ein Routineeingriff. Schlummerspritze, ein bisschen Arthroskopieren, Fräsen, Sägen, Saugen, ein paar Tage Vollpension und Schwesternservice ans Bett und nach einigen Wochen Physiotherapie ist er wieder der alte Badminton-Crack, der sich schmerzfrei und windhundflink eine Jacke anziehen und klaglos seinem anderen Hobby Staubsaugen nachgehen kann.

Eben fuhr ich ihn in die Klinik. Durch YouTube-Clips, Foren und Orthopädieseiten ist er jetzt so umfassend informiert, dass er den Eingriff eigentlich selbst vornehmen könnte, wäre er nur ein bisschen gelenkiger.

Zwar befleißigt sich der MamS zuweilen eines etwas bizarren Humors. „Du weißt ja, wo das Testament liegt?“, „Wenn ich nicht wieder komme, hast Du einen guten Schnitt gemacht!“ oder „Die Kollegen haben schon die Kondolenzkarte für Dich besorgt!“, verkündete er. Ich konterte, dass er sein Augenmerk lieber der Hoffnung widmen solle, weder ein Schnarchtier noch eine Plaudertasche als Zimmergenossen zu bekommen, sondern einen Fernseher für die Fußballübertragungen. Ihm als Krankenhausnovizen habe ich da nämlich einen gehörigen Wissensvorsprung: Mehrbettzimmer sind der moderne Vorhof der Hölle.

Nun habe ich einige Tage die Lufthoheit über die Fernbedienung und die seltene Freiheit, Wein-, Kaffee- und sonstige Flecken oder abgebissene Pizzastücke so lange anzuschauen, wie mir danach ist und überhaupt wird der Sauberkeitsstatus unter diesem Dach auf mein persönliches Wohlfühllevel heruntergeschraubt. Vorhin noch hat er den kleinen Hank augenzwinkernd zum Interimsfamilienoberhaupt ernannt, der sich „von den zwei Weibern bloß nichts sagen lassen“ solle. Ich befürchte allerdings, damit hat er den null Bock-Hank zum Gärtner gemacht ein ordentliches Eigentor geschossen.

Es lebe die Anarchie!

moggadodde

Ausgewundert

Das Würzburger Wohnungswunder ist ausgeblieben. Zwar glaube ich nach dem Absagetelefonat, dass von Anfang an absehbar war, dass wir nicht die Auserwählten sein werden und mit der Einladung von drei Interessenten nur der Form genüge getan wurde. Aber das ändert nichts. Es gibt eben keine Wunder.

Ich könnte heulen. Und ich tu’s auch. Und danach: Mund abputzen, weitermachen.

Enttäuscht,
moggadodde

Es ist bestimmt Bestimmung!

Nach den letzten, eher unerquicklichen Vorkommnissen war es ja höchste Zeit für eine positive Episode. Die alte Schlampe Schicksal ahnt das wohl, jedenfalls stehen wir wohnungssuchtechnisch einen winzigen Schritt vor einer schier unglaublichen Sensation.

Direkt nach dem Mansardenfiasko im vorletzten Eintrag klapperte ich einmal mehr online die Wohnungsanbieter ab. Nur ein Angebot passte und als ich auf das Objektfoto klickte, glaubte ich an einen Zufall, zeigte es doch das Haus, in dem ich einmal wohnte.
Ich sah mir das Angebot genauer an: Selbes Stockwerk. Ach, witzig, dahin wurde ich ja damals ausgewildert … Mooooment. Jetzt warf ich einen Blick auf den Wohnungsplan und erstarrte: Hier wurde haargenau, exactement und unzweifelhaft dieselbe Wohnung angeboten, die mir nach dem Auszug aus dem elterlichen Wohnschoß vor unendlich vielen Jahren allererstes, eigenes Zuhause war.

Bettzeit

Bettzeit

Herrenbesuch

Herrenbesuch

Schnappatmung überfiel mich. Minutenlang. Ich meine, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit in einer 130.000 Einwohner-Stadt mit 13 Stadtteilen genau dieses Haus zu erwischen und in diesem mit seinen 40 Parteien wiederum auch noch genau diese Wohnung? Das ist kein Zufall, das ist Bestimmung!

Mit zitternden Fingern schrieb ich die Kontaktmail, in der keine weiteren Bemerkungen möglich waren. Um 8.02 Uhr am nächsten Morgen rief ich an, um dem Sachbearbeiter die Lage zu erklären. Dass ich um 1985 herum für zwei oder drei Jahre dort wohnte. Er könnte das auch im Archiv nachsehen, ich nannte das Jahr und meinen damaligen Namen. Beteuerte, dass das die beste Zeit meines Lebens war (o.k., das war etwas frisiert, hatte im vorliegenden Fall aber fast ehrenhafte Gründe und ist damit lässlich). Und dass meine Tochter damit jetzt die Chance hätte, diesen einschneidenden Lebensabschnitt in genau den Räumlichkeiten anzutreten wie einst ihre Mutter. Das sei doch glasklar und unzweifelhaft höhere Gewalt! In der Disziplin „rührselige Erinnerungen verbreiten“ hatte ich im MamS einen guten Lehrmeister; ich trug dick auf, ohne jedoch zu übertreiben. Dem Herrn über Wohn und Wehe am anderen Ende wollte ich ja nicht zu sehr auf die Nerven gehen, sondern nur zu der unverrückbaren Erkenntnis bringen, dass Dixie die einzig mögliche Mieterin für dieses Objekt sein kann.

Er machte sich Notizen und heute lag die Benachrichtigung im Briefkasten: Besichtigung mit zwei anderen Interessenten nächste Woche. Selbstverständlich werde ich Dixie, die bei solchen Auftritten meist durch übertriebene genante Zurückhaltung glänzt, begleiten. Die anderen beiden Alibi-Aspiranten dürfen nur Staffage sein. Es kann nur eine geben! Es darf nur eine geben! Es ist schließlich Bestimmung!

Bitte Daumen drücken!
moggadodde

Aufgepasst bei der Wohnungssuche: Vorsicht, Falle!

Aufgeregt zeigte mir Dixie ein Wohnungsangebot auf immobilienscout24. „Schau mal, das wär‘ doch was!“, sagte sie und die Wangen glühten. Verständlich, denn die Fotos zeigten eine 3-Raum-Traumwohnung. Schickimickiküche. Lederne Polsterstühle um modernen Esstisch. Feinstes Loungemöbel, beschienen von Unterputz-Spotlights. Insgesagt zeigten sich Bilder, wie aus einem Einrichtungskatalog. Völlig mit Recht wurde diese Perle als Luxuswohnung zur Miete ausgeschrieben, recht zentral im Würzburger Frauenland gelegen und mit sämtlichen, auf den Fotos ersichtlichen Annehmlichkeiten versehen, inkl. LCD-TV, Bügeleisen, CD-Player und Staubsauger. Auf Wunsch sogar würde sogar eine Babyausstattung gestellt. Dieses noble Domizil sollte mit einer Miete von schlappen 350 € zu haben sein.

Während Dixie sich schon in diesem Wolkenkuckuckstraumheim auf der Couch lümmelnd an einem Daiquiri nippen sah, musste ich sie enttäuschen. Niemand böte eine solche Wohnung zu diesem Preis an. Vielleicht hatte der Anbieter die „1“ vor der „3“ vergessen, vielleicht wollte er mit dieser Anzeige die verzweifelt nach Wohnraum suchenden Leute verhöhnen, vielleicht versuchte er auf diesem Weg an Bekanntschaften zu kommen, vielleicht war er ein Würzburger Ripper, der alleinstehende, besichtigungswillige Frauen in einem Verlies quält und danach ausgeweidet in den Main wirft. Und ich schrieb ihm eine entsprechende Mail. Kurze Zeit später war das Angebot entfernt.

Heute nun meldete sich Brend Dietrich, retireder 49jähriger Architekt, aus London. Er ging mit keinem Wort auf meine Vorwürfe ein, sondern beschrieb in blumigem und sympathischem Englisch, dass er die Wohnung für seine hier studierende Tochter gekauft habe, diese nun dauerhaft nach U.K. zurückgekehrt sei und er deshalb die Wohnung vermiete. Er selbst könne für eine Besichtigung nicht kommen, könnte aber Vorkehrungen hierfür treffen.
Einen Moment lang dachte ich nach. So ein Londoner weiß nicht, wieviel er für eine Wohnung in Würzburg verlangen kann. Vielleicht wäre das ja doch …

Dann googelte ich nach der angegebenen Adresse in London. Unter dieser befindet sich offenbar ein Nest vermietungsbereiter Architekten und ich stieß auch auf den Blog wohnungsbetrug.blogspot.de, wo ich dann endlich über die mir bisher unbekannte Masche „Vorkassebetrug“ aufgeklärt wurde und zwar anhand genau der Annonce, wie wir sie sahen.
In diesem Blog macht sich ein wackerer Mensch tatsächlich die Mühe, sammelt und benennt die schwarzen Schafe und erklärt Vorgehensweise und Tricks der betrügerischen Mistkerle. Ich könnte mir gut vorstellen, dass einige, gerade junge, unerfahrene, gutgläubige und einfältige Menschen, die zudem nach längerer Wohnungssuch-Odyssee ein wenig betriebsblind geworden sind, darauf hereinfallen und das nach der nächsten Mail sicher angeforderte Entgelt überweisen, ohne danach je Schlüssel oder Mietvertrag zu erhalten.

Ich will nicht sagen, dass die Welt schlecht ist. Aber sie macht es mir gerade auch nicht leicht, das Gegenteil zu glauben.

Einen behüteten Tag wünscht
moggadodde

Abgewöhnungssache

Das Angebot hörte sich schon verlockend an: 1-ZW mit separater Küche, Bad und Festungsblick, 35 qm und auch noch bezahlbar! Natürlich rief ich schon um halb 8 Uhr morgens die Nummer irgendwo in der Rhön an, wo sich eine ältere Dame meldete. Die Wohnung, fast am Stadtrand gelegen, sei noch vermietet und früher auch vom Sohn des Hauses bewohnt worden. Sie hob die separate Küche hervor und ich pflichtete ihr bei: Küchendünste im Wohn- oder Schlafraum wären ja grässlich. Sie fragte mich noch ein bisschen aus, was ich gut verstehe. Schließlich will man schon wissen, wen man sich da unters Dach holt.

Sie sammelte Interessenten und meldete sich ein paar Tage später wegen eines Besichtigungstermins. Wir waren entzückt! Googlemaps zeigte, dass sich in unmittelbarer Nähe eine Bushaltestelle befindet und die Lage auch sonst nicht ganz Jottweedee war. Also auf zur Besichtigung!

Der Sohn der Vermieterin erwartete uns vor dem 4-Parteien-Haus. Stolz führte er uns in ein Kellerabteil, das vor zwei Jahren, man höre und staune, einen Waschmaschinenanschluss verpasst bekommen habe.
So überwältigt war er beim Erzählen, man konnte meinen, in diesem siffigen Keller wäre ein Neutronenbeschleuniger installiert worden und Higgs-Boson höchstpersönlich spränge einem jeden Augenblick mitten ins Gesicht. Naja. Da sah ich zwar schon spektakulärere Gottesteilchen, aber immerhin würde sich Dixie mit einer eigenen Waschmaschine überlegen, ob sie weiterhin jede Jeans vor dem Waschen nur einmal trägt oder das nur irrtümlich aus dem Schrank geholte Shirt aus reiner Bequemlichkeit in die Dreckwäsche schmuggelt.

Das wäre aber noch nicht alles, verkündete der Sohn und führte uns unters Dach des Hauses, wo Vermieterin und derzeitiger Bewohner warteten. Wir betraten die Räume, aber jetzt bedauerte ich bereits im Stillen, dass das noch nicht alles war. Nach Durchschreiten der Eingangstür stand man bereits im Wohn-/Schlafzimmer und gegenüber befand sich das Bad.
Wanne, Waschbecken und Kloschüssel schienen sich darin übertreffen zu wollen, uns den Zeitpunkt ihrer letzten Reinigung anklagend entgegenzuschluchzen. Grünspanige, kalkfleckige Armaturen gaben sich ein trauriges Stelldichein mit fremdhaarverzierten, siffigen Oberflächen und gesprungenen, abgeschlagenen und mekoniumbraunen Fliesen. Der MamS, unser Sauberkeitssensibelchen, erbleichte auf der Stelle und wandte sich angeekelt ab. Das hölzerne Dachliegefenster war verzogen und schloss nicht richtig. Schimmelpünktchen sprossen vorwitzig in den Ecken und nicht einmal im Neoprenanzug hätte ich in diesem Bad den nötigen Reinigungsarbeiten an mir selbst oder irgendetwas sonst nachgehen wollen.

Nichts wie raus – in die benachbarte, winzige türlose Küche, wo ein desolater Resopalklapptisch seiner abgeschrammten Kanten dauerte und im elegischen Dialog mit einem verdreckten 2-Platten-Küchenblock aus den frühen 70ern stand, mitsamt eines Spülbeckens, dessen zerbeultes Edelstahl eine kalkige Patina gnädigerweise zu verschleiern suchte. Kein Backofen? Geschenkt! Aber auch hier schimmelte das Dachfenster freudlos vor sich hin. Gastroenterologisch sattelfest genug, um mir auch noch den Kühlschrank anzutun, war ich heute jedenfalls nicht. Sollte es sich hier um eine dieser Diätküchen handeln, in denen einem der Appetit vergehen muss? Bei mir schien das überraschend schnell zu funktionieren: Alles, was ich hier hätte zu mir nehmen wollen, wäre vielleicht ein Beutel Astronautennahrung und als Dessert eine tüchtige Portion eines einschlägigen Narkotikums.

Der Wohn-/Schlafraum war mit dankbar-dunkelblauer Auslegeware versehen und nicht annähernd so groß wie Dixies heimisches Zimmer. Insgesamt war er wegen überraschenderweise vorhandener Schrägen und Nischen überhaupt nur so groß, dass gerade ein Bett, ein Schreibtisch, ein Fernsehtischlein und ein Schrank hineinpassten. Der eloquente aber offenbar dreckspatzige Nochmieter erzählte, dass er gerne das Bett und bei Bedarf auch die Matratze übergeben würde. Ich atmete durch und schluckte die einzig passende Antwort auf diese Steilvorlage hinunter. Jedoch, jetzt schaltete sich Frau Vermieterin ein, könnte der Schrank, der, wie alles andere auch zur Wohnung gehörte, notfalls selbst abgebaut werden, was sehr traurig war, denn gerade dieser Schrank schien aus dem laufenden Jahrzehnt zu stammen und war damit das Brauchbarste des ansonsten vollkommen verschlissenen Interieurs.
Auf den Schimmel an den Fenstern angesprochen meinte sie, das müsste wohl „mal“ gemacht werden, aber ihr Sohn (der mittvierzige Herr Higgs-Boson aus dem Keller) habe hier doch immer sehr gern gewohnt. Auch der Nochmieter, Typ junger Rudi Cerne, wurde nicht müde, die gute Internetanbindung und das Wohnen dort insgesamt anzupreisen sowie eine Unterstellmöglichkeit, die unterm Dach vom Balkon aus zu erreichen war. Tatsächlich war der Balkon das wahrhaftig einzige Sahnestück dieser Behausung, mit einem atemberaubenden Blick auf die benachbarte, wunderschöne und in gleicher Höhe liegende Festung Marienberg. Natürlich: Wenn man keinen Schlaf bräuchte, oder Essen, oder ab und an eine Dusche und wenn man sich sommers wie winters auf diesem Balkon aufhalten könnte, ja dann wär’s perfekt gewesen.

Auf dem Weg zum Auto ärgerte ich mich, nicht Klartext gesprochen zu haben. Über die Stirn, Menschen diesen heruntergekommenen Schuhkarton für Geld anzubieten. Und über die Ansicht, dass ein auch nur halbwegs geistesgesunder Nachmieter zunächst ein paar dicke Scheine und eine Menge Arbeit investieren muss, um sich dort auch nur 5 Minuten lang wohl zu fühlen, um sich dann möglicherweise noch mit dem Vermieter wegen schimmeliger Ecken und morscher Draußenheizfenster streiten zu müssen. Das würde ich beim nächsten Mal bestimmt besser machen und mit meiner Meinung nicht hinterm Berg halten. Man lernt ja auch an solchen Dingen.

Der Status „Universitätsstadt“ macht die Zustände auf dem Wohnungsmarkt nun leider nicht besser. Ich bin sicher, unter den anderen konnten einige Bewerber nicht so zimperlich sein und haben diese Behausung dankend genommen. Vielleicht sollten wir Landeier uns ja nur ein dickeres Fell zulegen und uns abgewöhnen, die hiesigen, geleckten Heidschibumbeidschi-Zustände auf Mietwohnungen in der Stadt übertragen zu wollen. Vielleicht bleibt Dixie aber auch besser erstmal hier wohnen, zumal sie selbst den Hintern diesbezüglich gerade nicht besonders hoch kriegt. Zum Glück eilt’s ja noch nicht besonders.

Einen sauberen Abend wünscht
moggadodde