Dieser Winter scheint mir noch länger und düsterer zu sein als alle anderen davor. Gefühlt nie wird es hell, es herrscht Novemberstimmung auch im Dezember, im Januar und auch der Februar reiht sich ein. Grau wechselt nur noch seine Nuancen, ehe die Düsternis der Nacht voll Erbarmen Einzug hält.
Gereiztheit wechselt sich mit Dünnhäutigkeit ab, Lustlosigkeit mit Unzufriedenheit und dem Gefühl, dass das Grau im Kopf und am Himmel wohl nie erschöpft sein wird.
Mit meinen Empfindungen bin ich nicht allein. Aufbrausende, missmutige und verdrossene Menschen, wohin man schaut. Vielleicht liegt’s am mangelnden Sonnenlicht, für mich selbst jedenfalls bin ich dessen ziemlich sicher. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ich beim Lesen so mancher Nachricht so fest mit dem Kopf schütteln muss, dass mir angst um mein bereits aufgeweichtes Resthirn werden könnte.
Da ist zum Beispiel der Vorfall bei der Fernsehübertragung des organisierten Faschingsfrohsinns aus dem nahen Veitshöchheim, bei der ein Rauchfreiverein eine verkleidete Dame mit Zigarette erspähte. Das war Grund genug, auf der eigenen Website ein Fahndungsfoto nebst Kopfgeldauslobung zu veröffentlichen und Anzeige zu erstatten. Wie sich herausstellte, handelte es sich bei dem Glimmstängel trotz „sichtbaren Aschekegels“ um einen Scherzartikel. Die Närrin, eine Mitarbeiterin des Bayrischen Rundfunks und sicher bestens im Bilde über die bayrische Nichtraucherschutzgesetzgebung, wurde trotzdem gerüffelt, weil auch eine künstliche Zigarette auf dem Bildschirm nichts verloren habe. Dass sich das illustre und durchaus prominente Polit-Publikum zur selben Zeit tüchtig Frankenwein und Hopfenkaltschale hinter die maskierten Binden kippte und auf der Bühne zotige Witze weit jenseits des Dirndlgate-Horizonts dargeboten wurden, schien aber zum Glück niemanden zu stören. Der Empörungsbürger käme ja auch sonst mit der jeweils erforderlichen Entrüstungsentfaltung in Netzforen, TV-Sendungen und bösartigen Diskussionen, die zwingend zu Tode geritten werden und die Teilnehmer doch nie auf einen Nenner bringen, gar nicht mehr hinterher.
Aber nicht nur hierzulande dreht die Menschheit offenbar langsam durch: Der nationale Gesundheitsrat Australiens z.B. empfiehlt Eltern, auf die Montage von Kerzen auf Kindergeburtstagskuchen wegen der kindlichen Keimemission beim Ausblasen derselben zu verzichten. Ich weiß nicht, mit welch tödlichen Keimen australische Kinder im Normalfall behaftet sind, für eine solche Maßnahme müssen sie aber irgendwo zwischen Ebola und schwarzer Pest beheimatet sein.
Das sind nur zwei wirklich winzige Randnotizen aus einer ganzen Reihe von Meldungen, die beliebig lange fortgesetzt werden könnte und bei der sich mir bereits seit Wochen die eine, entscheidende Frage aufdrängt: Wird die ganze, verdammte Welt verrückt oder bin ich das?
Ich wünsche mir so viel weniger Boshaftigkeit, aufgezwungene Fremdfürsorge und Verbissenheit und so viel mehr Gelassenheit, Feingefühl, Empathie, Einsatz von Menschenverstand, mit Glück sogar einen Hauch Intelligenz! Heimatland! Und wenn’s nur hilft, ist meinetwegen auch gegen den Einsatz einer kleinen Tüte nichts einzuwenden, verdammtnocheins! Es ist wahrlich kurz genug, also macht Euer und mein Leben doch bitte erträglich!
Wie man das anstellt mit dem Simplifizieren, machte der kleine Hank heute in beeindruckender Weise vor.
Statt ihn für die pragmatischen Antworten auf durchaus anspruchsvolle Fragen in der Chemie-Schulaufgabe zu bepunkten, lässt ihn die Lehrkraft zwar leer ausgehen. Wir nehmen das aber gelassen, der kleine Hank und ich. Er, weil er generell und in jeder Lebenslage das tiefenentspannte Wesen eines Jamaikaners in sich zu haben scheint und ich, weil ich mir heute vor lauter Verzweiflung endlich die Höchstdosis zwar böser, aber immerhin Lebensgeister weckender UV-Sonnenbankstrahlen aus der Steckdose zog. Aber nun bin ich sicher: Nicht ich bin verrückt. Die Welt ist es.
Mehr Licht!
moggadodde