Früher war mehr Lametta

So lieblich das Himmelbett des Sprösslings bläulich oder rosa leuchtet, so schillernd malen Eltern die Zukunft ihrer Lendenfrüchte: Fynn-Eric kann schon vor der Einschulung Legosteine der Größe nach ordnen? Aus dem wird ein Architekt, vor dem sich die besten Baumeister der Welt warm anziehen werden müssen!
Arwen-Arja kann eine Geige halten und Anakin-Lovis den Klavierdeckel zuklappen, ohne sich die Finger zu quetschen? Die beiden haben doch schon jetzt so viel mehr Talent in ihrem Nasensabber als Anne-Sophie Mutter und Herr Lang Lang zusammen!
Spätestens, wenn die kleinen Wunderkinder in diesen Zustand mit dem Namen Pubertät kommen, ist aber Schluss mit lustig. Dann nämlich stellt sich heraus, dass auch sie nur ganz normale, liebenswerte Menschlein sind, die trotzdem schnell kotzbrockig werden können.

Erwartungstechnisch habe ich ja auch nicht anders gedacht schon immer kleinere Brötchen gebacken. Selbstverständlich würde Hank eine universitäre Ausbildung an der Sorbonne oder in Princeton genießen, sich aber dann gegen verstaubte Hörsäle für seine frühe Liebe Fußball entscheiden. Er würde glücklich durch die Welt vagabundieren und bei den größten Fußballvereinen des Planeten anheuern, angehimmelt von zahllosen, kreischenden Frauen und wegen seines Ausnahmetalents respektiert von den Männern. Natürlich würde er sich der Entbehrungen seiner Eltern erinnern und ihnen von seinem Millionensalär die erträumte Villa in Tremosine mit grandiosem Blick auf den Gardasee unter den Weihnachtsbaum legen plus ein hübsches Cabrio. Seine steile Stürmerkarriere würde ihn schließlich in die Hall of Fame gleich neben Pelé, Beckenbauer und Lothar Emmerich stellen, er hätte mit einer bezaubernden Frau viele reizende Kinder und würde seine Eltern nicht als Babysitter brauchen, weil er und unsere wunderbare Schwiegertochter eine fähige Nanny engagieren würden. Er wäre auch nach einem 90-Minuten-Fight eine Augenweide, hätte als erster in der Familie einen dichten Lockenkopf und sein Schweiß röche nach frisch gepflückter Pampelmuse im Frühling.

Ganz sicher würde er nie einer dieser Typen, wie ich sie dauernd in der Stadt sehe: Er trüge nie ausgeblichen-dreckige Lumpen, deren Gesäßtaschen in Kniehöhe hängend den Eindruck vermitteln, wegen der dünn gesäten Zahl öffentlicher Toiletten hätte der Träger seine Notdurft direkt in die Hosen entleert. Nie hätte er klobige Turnschuhe an, in denen nicht nur der kleine, im Nil ausgesetzte Mose, sondern auch noch ein Kumpel Platz gehabt hätten. Von Hosenbeinen, die in Socken gestopft sind, dem Gangbild, das an einen Gorilla auf Valium erinnert und dem Gesichtsausdruck, der zwischen Debilität und Aggressivität changiert, ganz zu schweigen.

Nun steckt der kleine Hank trotz Größe 42 noch in den pubertären Kinderschuhen. Und ich ahne schon jetzt, dass nicht alles läuft, wie ich einst plante. Seine Begeisterung fürs runde Leder ist nur noch ansatzweise vorhanden, zum Training kriege ich ihn nur noch, wenn ich mütterlich-sanften Druck ausübe und an seine Restvernunft appelliere, denn Junior bangt um seine mühsam und unter Aufbietung allerlei Sprays und Dosenviagras drapierte Matte. Unfrisiert geht er mittlerweile nicht mal mehr den Hasenstall ausmisten.
Es kommt morgens zu Staus, weil er fürs Hairstyling länger braucht als seine Schwester, was den Badbelegungsplan zum Kippen bringt und sein anfänglicher, schulischer Fleiß ist etwas gewichen, das ich als die „Optimierung des Minimalistischen“ bezeichnen würde.
Er äußert oft nur entfernt an menschliche Geräusche erinnernde Grunzlaute, die mich trotzdem zum Lachen bringen, weil ich weiß, er kann auch normal und sogar in mehreren Dialekten sprechen. Er schläft in seinen Klamotten, wenn ich nicht aufpasse und sorgt für eine im Rahmen bleibende Nebenkostenabrechnung, indem er sich nur duscht, wenn die restlichen Familienmitglieder ihn wegen des mephitischen Gestanks aufs Übelste beschimpfen.
Er besitzt mehrere Hosen, von denen er aber nur eine trägt, wobei die Gürtellinie so weit in den Süden gerutscht wird, dass der Comic auf der darunter getragenen Hochglanz-Simpsons-Shorts (ein Geschenk der Großmutter) in Gänze betrachtet werden kann. Betriebliche Anweisungen wie Spülmaschine ausräumen oder Müll wegbringen überhört er erst eine Weile, um sie dann unter gespieltem Protest doch auszuführen.
Er hat sich eine Porno Pilotenbrille

gekauft, die er auch noch trägt, nennt mich „Muhdda“ und wenn er mich mit der „Fist of Ghetto“ begrüßt, lacht er unter einer Kakophonie rostiger Gießkannen, denn der Stimmbruch hat längst eingesetzt.

Was ihm allerdings gänzlich fehlt, ist die bösartige Zickigkeit, die Mädchen im selben Alter an den Tag legen und der geneigte Langzeit-Leser weiß, dass ich auch damit geschlagen war. Trotz all der Veränderungen ist er noch immer mit leichter Hand zu zügeln, überwiegend freundlich und aufgeschlossen und wenn der Gaul mit ihm durchgeht, schicke ich ihn in den nahen Wald, wo er sich mit Euro-Paletten und einer Plane ein gemütliches Quartier schuf und sich mit seinem Kumpel sicher über Mädchen, Motorräder und den idealen Haarlack unterhält.

Seit Hank in Mutation begriffen ist, sehe ich auch die Jungs in der Stadt mit anderen Augen. In zwei oder drei Jahren könnte schließlich auch mein Ableger für eine Weile so trübe durch die Gegend mäandern und der war ja auch mal ein gepflegter, gut aussehender Junge.

Vieles im Leben kommt anders, als man sich das vorgestellt hat, Menschen und Erwartungshaltungen verändern sich und der Kluge lernt, in allem etwas Positives zu finden. Dass Hank nie ein Sportstar werden oder zur Sorbonne oder nach Princeton gehen wird, ist nicht weiter tragisch. Dass er irgendwann eine Arbeit findet, mit der er glücklich ist und dass er zufrieden und gesund durchs Leben geht, das zählt. Und da ist es mir herzlich schnuppe, ob er vorübergehend aussieht, wie ein Mensch gewordener Wischmopp.

Euch einen toleranten Abend wünscht
moggadodde

Abgefüllt in Sommerhausen

In Sommerhausen begänne Italien, so heißt es vollmundig und dennoch: Die Führung durch die beschauliche Weinhochburg

mussten wir regenbeschirmt absolvieren. Ausgangspunkt war das Torturmtheater, das weithin bekannte, kleinste Theater Deutschlands. Just als der Guide uns in die bewegte Gemeindegeschichte einführte, fuhr Veit Relin vor, der Prinzipal des genannten Hauses. Sicher spukte ihm schon der Entwurf eines neuen Aquarells im Kopf herum oder ein neues Stück oder was sonst einen Künstler so umtreibt, denn er entschwand, ohne uns wissbegierige Würmer eines Blickes zu würdigen.

Dass in Sommerhausen aber sonst mitnichten humoristische Diaspora herrscht zeigt der Umstand, dass auf dem dortigen Friedhof die steinerne Figur der Glücksgöttin Fortuna zwischen dunklen Grabsteinen residiert. Weil die Gemeinde im Rahmen von Erneuerungsarbeiten für die halbnackte Holde keine Verwendung mehr hatte, wurde die lebensgroße Schönheit einfach zwischen die Epitaphen geparkt. Zwar spielt bei der Frage „Tod oder Leben“ Frau Fortuna bekanntlich eine nicht unerhebliche Rolle, trotzdem war ich kurz hin- und her gerissen, ob ich das pietätlos finden soll. Letztlich komme ich aber zu der Meinung, dass auf einem „Gottesacker“ schließlich alle Aufnahme finden und deshalb nichts dagegen spricht, auch eine Göttin dort endzulagern.

Weiter ging es durch kopfsteingepflasterte Gässchen auch zum Marktplatz Sommerhauses, wo das Geburtshaus von Franz Daniel Pastorius steht, dem Begründer der ersten, deutschen Ansiedlung Germantown im heutigen Philadelphia, der schon 1683 als erster Deutscher auswanderte. Den Abschluss bildete der Besuch im historischen Rathaus, wo uns der Altbürgermeister-Stadtführer Herr Oehler noch ein inoffizielles Frankenlied-Ständchen darbrachte, bevor er uns zum feuchtfröhlichen Teil des Abends entließ.

Mittlerweile war es stockfinster geworden, aber es hatte aufgehört zu regnen. Wir stiegen ungefähr eineinhalb beschwerliche Kilometer in die steilen Weinberge auf, immerhin eine clevere Teilnehmerin aus der Gruppe hatte an eine Taschenlampe gedacht und erhellte den Weg. Reichlich erhitzt kamen wir am Weingut Steinmann an, wo wir für eine Weinprobe angemeldet waren.
Nun hatte auch ich als gebürtige Fränkin bisher erst eine solche Degustation erlebt. Damals wurden vergnügliche Anekdoten rund um den Rebensaft vorgetragen, über Sorten, Testverfahren und Geschmacksfragen referiert, während man sich in Sommerhausen nicht sehr lange mit solchen Förmlichkeiten aufhielt. Zu Mostsuppe, leckerer Brotzeit und Dessert wurde jede Menge vorzüglicher Weine auf den Tisch gebracht, Eckdaten zu Produktion und Lage genannt und ansonsten eher defensiv moderiert, was den Anwesenden genug Gelegenheit gab, von den unablässig aufgefahrenen, flüssigen Preziosen zu probieren, was alle ausgiebigst taten und dank Flatrate-ähnlicher Bedingungen am Ende des Abends tüchtigst einen in der Krone hatten.
Mir persönlich verpassten die beiden Roten am Ende und hier ganz besonders die deliziöse Domina die letzten Gaumenkitzler des Abends. Durch den aufziehenden Nebel einsetzender Trunkenheit Nach dem vergnüglichen Abend brachte uns der tapfer-trockene Schwager Manni sicher heim, wo ich, kaum in der Horizontalen angekommen, in Morpheus‘ weit geöffnete Arme sank: Und dank Steinmann schlief ich wirklich wie ein Stein, Mann.

Euch eine launige Nacht wünscht
moggadodde

Ballgeflüster

Zwar könnte ich beileibe nicht die komplette Aufstellung der Endspielmannschaft von 1974 herunterbeten, so wie manch wirklich fußballfanatischer Mensch und auch was Spielernamen sowie deren derzeitige dienstgebende Vereine angeht, klaffen erhebliche Lücken. Die Biester wechseln ja ohnehin dauernd die Arbeitsstelle und davon abgesehen, dass es mich nicht interessiert: Ohne Excel-Kenntnisse verliert man im Transfermarkt schnell den Überblick. Ich bin auch kein richtiger Fan im klassischen Sinn, ich bin eher, sagen wir, eine halbwegs aufgeklärte Sympathisantin, die auch passives Abseits erklären kann und sich selbst deshalb an der Schwelle zur Fortgeschrittenenliga befindlich zählt.

Darauf hatte ich mich ja gefreut: Im Luisengarten gaben die Herren Redakteure Kirschneck und Köster

gestern hervorragend pointierte und formidabel formulierte Bonmots aus ihrem 11 Freunde-Magazin zum Besten. Keine klassische Lesung, eher eine multimediale Leseshow boten die beiden Redakteure der geschmackvollsten Fußballzeitschrift in unserem Land. Wer Statistiken will, liest Kicker. Wer Klatsch will, liest die Sport-Bild (obwohl die wirklich sehr oft das Neueste so schnell verbreiten können, wie der Greenkeeper „Runter vom Rasen“ bellen kann). Wer aber über die übliche Berichterstattung hinausschauen möchte, Hintergründe und außergewöhnliche Geschichten erfahren, Interviews, die jenseits vom üblichen Pillepalle-Geschwafel beheimatet sind lesen und sich von wirklich ulkigen Einfällen (siehe das imaginäre Fahrtenbuch von Markus Babbel) unterhalten lassen möchte, ist hier richtig. Mit 11 Freunde würde sogar die dritte guatemaltekische Liga interessant und das liegt für mich durchaus nicht daran, dass ich den Tanz ums runde Leder über alle Maßen packend fände. Ja, ein bisschen, zugegeben, aber ansprechend formulierte Satzgefüge, schnoddriger Ausdruck im Wechsel mit gewählter Diktion – man liest gleich, hier sind keine Groblinguisten am Werk, die mit Stammelsätzen und Vorschul-Formulierungen jede noch so interessante Reportage zu verpfuschen in der Lage sind. Und bei jemandem, der auch so etwas kann, macht mir ein „Mann, muss ich pissen!“-Satz im hanebüchenen Tatsachenbericht „Gelb ist die Hoffnung“ über wegen Hansapils-Druckbetankung blasenschwach gewordene, zum Auswärtsspiel fahrende Fans nichts aus.

Aufgelockert mit Beamer-Vorführungen der besten Schwalben aus aller Welt, peinlichen Trainer-Fauxpas vor laufender Kamera und vielen anderen Fernsehschmankerln aus dem Tollhaus Fußballbetrieb war das ein wirklich gelungener zweieinhalb-Stunden-Auftritt der Herren Kirschneck und Köster.
Auf den Anblick eines nervös am Spielfeldrand bebenden Jogi Löw, der fast beiläufig eine seiner Handflächen kurz in seiner offenbar verschwitzten Achselhöhle bettet, um danach genauso unauffällig und sicher unbewusst aber nicht unbemerkt an derselben Hand sein Odeur terrible zu beschnuppern, hätte ich allerdings doch lieber verzichtet.
Trotz meiner durch üble Lücken imponierende Fußballkenntnis war der Abend höchst gelungen. Abonnieren werde ich das Heft aber trotzdem nicht. Dafür sind die Prämien dann doch etwas zu „strümpfig“, wie der Franke sagt.

Euch eine runde Nacht wünscht
moggadodde

Herpest

Dixie hat ihre letzte Erkältung großherzig ihrem Bruder überreicht, der sie mir zu treuer Nase übergeben hat. Zudem laboriere ich seit einigen Wochen an einer kränkelnden Lippe. Kaum ist ein Kriegsschauplatz verschlossen, spüre ich viröses Leben an anderer Stelle. Aciclovirhaltige Sälbchen helfen dabei nur im allerersten Stadium, das Unheil schlummert noch unsichtbar und lässt sich nur vage spüren. Ist man gerade unterwegs oder unaufmerksam, ist es zu spät: Schmerzhafte Herpesbläschen entstehen, die beim Aufplatzen eine hässlich ansteckende Flüssigkeit absondern, nur quälend langsam verheilen und das ganze Gesicht zum Kribbeln bringen.

In dieser Phase bin ich verzweifelt genug und für alles zu haben: Angefangen bei Bepanthensalbe, die die frisch verschlossenen Wunden immer wieder aufgehen lässt über Globuli, die hier keinerlei Wirkung entfalten bis hin zu Fettcreme, die die Lippen aufplustert als hätte ich Botox intus. Auch mit hauchdünnen Silikonfolien, die sich an ungünstiger Stelle immer wieder ablösen bis hin zu stinkiger Propolislösung, die Hank abschätzig als „Bienenpisse“ bezeichnet, bin ich durch: Alles half ein wenig und eine kleine Weile lang. Ich meine, schlaue Leute erfinden Teflon, fabrizieren schwarze Löcher und fliegen zum Mond: Aber für einen schnellen Krankheitsverlauf bei simplem Herpes gibt’s nichts außer 2 g-Tuben Glücksspielsalbe und Aussitzen? Unfassbar!

Gleich zwei Baustellen verunzieren derzeit meine Futterluke, die ich mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg zu verbergen suche. Lippenstift, eine wie zufällig oder kokett vor den Mund gehaltene Hand, den Eindruck von Nachdenklichkeit erweckende, zusammengekniffene Lippen: Es ist anstrengend, sich pausenlos verstellen zu müssen denn ja, es ist mir unangenehm und peinlich, weil ich den Eindruck habe, dass jeder Gesprächspartner auf meine Lippen sieht, die wie das traurige Fanal eines lendenlahmen Immunsystems in die Landschaft leuchten. Abgesehen davon ist Lippenherpes auch richtig schmerzhaft.

Mal ist es ein Schnupfen, mal die Geißel gebärfähiger Frauen, mal ein nachlässig gespültes Glas, mal Ekel vor irgendetwas oder irgendwem: Die Auslöser für dieses unangenehme Leiden sind bei mir so vielfältig wie allgegenwärtig und unausweichlich. Es ist schon seltsam, denn ich bin wäre in der Lage, ein Leberwurstbrot, zwei Löffel Nutella, ein paar saure Gurken plus eine Banane zu verspeisen, und zwar in der Reihenfolge und kurz hintereinander, ohne dass ich sofort mit Herpes reagiere. Und wenn das nicht eklig ist, dann weiß ich auch nicht.

Meinen lädierten Gesundheitszustand schreibe ich trotzdem einfach auch dem Wetter zu. Selbst wenn sich jetzt mal zwei Tage die Sonne zeigt, zerrt die dauernde Kälte an meinen Nerven. Jaja, ein ganz normaler Winter, blablabla. Ich bin aber inzwischen innerlich so ausgekühlt wie ein uralter, modriger Gewölbekeller und kann, Krebs hin oder her, zu meinem Bedauern noch nicht einmal auf die Sonnenbank, weil sich Herpesbläschen nur ganz schlecht mit UV-Strahlen verstehen. Daher fühle ich mich wie ein riesiger, angefressener Mehlwurm und verkröche mich am liebsten tagelang im Bett, mit der Decke über dem Kopf, was mein Umfeld leider nicht so leicht zu akzeptieren gedenkt.

Daher war das Päckchen der lieben SchwäSu., das mich heute erreichte, ein willkommener Labsal. Endlich kann ich mein liebstes Haushaltsgerät auch um den Hals tragen: Ein aufklappbares Mininotebook zum Anhängen

Mir bleibt nur die Hoffnung, dass das schöne Stück ein bisschen von meinem immer noch geschundenen Antlitz ablenkt und sehne mich heftigst nach Temperaturen oberhalb von 20 °C, Flip-Flops an den Füßen und einem schönen Martini. Aus einem sauber gespülten Glas.
Danke, Su.! Ich würde dich ja knutschen, wenn ich könnte. Ähhm, nein. Besser doch nicht.

Euch eine unversehrte Nacht wünscht
moggadodde

Meine olympischen Gedanken

Von den rund 320 Übertragungsstunden von der Olympiade aus Vancouver habe ich nicht nur wegen der Zeitverschiebung nur einen Bruchteil gesehen: Ski-Cross hat was von James Bond, beim Biathlon kommen meine Augen ausnahmsweise mit und wenn beim Curling an überdimensionale Bettpfannen mahnende Steine über Eis geschoben werden, schalte ich halt einfach um.

Als ziemlich unsportliche Person habe ich große Achtung vor den Leistungen der Athleten und solange noch niemand Blutbeutel in Papierkörben gefunden hat, glaube ich auch daran, dass keine unerlaubten Mittelchen beim Erzielen großer Leistungen im Spiel waren. Nennt mich blauäugig, aber ich nun einmal eher der philantrope Typ, der so lange an das Gute glaubt, bis er vom Gegenteil überzeugt wird und auf der Enttäuschungsstrichliste wieder bei Null anfangen kann.

Ich bin beeindruckt davon, was z.B. so ein zierlicher Neuner-Körper zu leisten vermag. Ist es nicht auch beachtlich, dass sich schon verspottete Skispringer selbst aus den Tiefen des Abgeschriebenseins holen können, obwohl sie so hungerhakig anzusehen sind, als hätten sie ihre letzte feste Mahlzeit im letzten Jahr gehabt?

Respekt haben sie alle verdient, die sie sich überhaupt für dieses Weltsportereignis qualifizieren konnten und mit der festen Hoffnung auf einen Medaillengewinn angetreten sind. Alle haben sich viel vorgenommen und wenn sich das Training, der Verzicht, die Knochenmühle rentierten und mit einer Medaille belohnt wurden, ist das sicher das Höchste für einen Sportler.
Mit eben jenem Respekt nun nehmen es einige Reporterhyänen wohl nicht so genau. Einer Magdalena Neuner, die für ihre Leistung schon mit drei Medaillen geehrt wurde, wahlweise Egoismus und Unkameradschaftlichkeit vorzuwerfen oder einfach ein Burn-Out-Syndrom zu unterstellen, weil sie bei der Biathlon-Staffel nicht mehr antreten möchte, ist nur ein Beispiel von vielen, wie sehr sich um der Provokanz der Fragen willen Sportreporter im Ton vergreifen. Es ist Frau Neuners Sache, wenn sie nicht mehr in der Staffel antritt und sie wird ihre Gründe haben, die sie mit den Kolleginnen und dem Trainer abgesprochen hat. Punkt. Und dann stellt sich ein René Kindermann nach dem Lauf spürbar enttäuscht vor die Kamera und fragt den sichtlich irritierten Gesprächspartner, ob er denn glaube, dass es mit Frau Neuner in der Staffel nicht „Gold“ geworden wäre. Das, wohlgemerkt, obwohl die deutsche Staffel es auf einen Bronzeplatz geschafft hat und während des Laufs von einem anderen Reporter dieses Thema schon sehr ausführlich und merklich differenzierter behandelt wurde. Wenn es interaktives Fernsehen gäbe, hätte ich Herrn Kindermann für diesen Auftritt gestern ein paar saftige Pfund Watschen verpasst. Aber er ist ja beileibe nicht der einzige verbale Fehlschuss.

Auch in der Presse finden sich diese Aasgeier, die wohl meinen, dass die Athleten deutsches Volkseigentum sind, die gefälligst zu funktionieren haben und die zu allem Überfluss bemängeln, dass Deutschland im Medaillenspiegel hinter die USA zurück gefallen sind! Hallo? Schon mal nachgedacht? In den USA leben 3,6 x mehr Menschen als in Deutschland und selbst mit meinen beschränkten Rechenkenntnissen ist mir klar, dass die pro-Kopf-Ausbeute an Medaillen besser ausfällt, selbst wenn man die Hälfte der verfetteten Ami-Bevölkerung ausklammert!
Also, Ihr gewissen Sportreporterhyänen: Die deutschen Athleten haben bisher schon richtig viel erreicht und es ist einfach, von der bequemen Schreiberlingenwarte aus den olympischen Gedanken „Dabei sein ist alles“ nur auf Eure Spesen und Reisekosten zu beziehen und alle deutschen Sportler mit Schmackes in den Hintern zu treten. Ich würde euch ja gern zum Schämen in den Keller schicken: Vielleicht lernt ihr dort, vor Leistungen anderer Menschen Respekt zu haben, zumindest aber muss ich dieses dumme Geschwafel dann nicht mehr ertragen.

Einen respektvollen Abend wünscht
moggadodde