Ein Blinken im Display des Armaturenbretts signalisierte mir heute einmal wieder, dass ich möglichst zeitnah über die Versorgung meines Fahrzeugs mit toter Biomasse nachdenken sollte. Bäh. Tanken.
Im Vorbeifahren registrierte ich befriedigt, dass der Preis mit Einsfünfundzwangzigneun je Liter gar nicht mal so hoch war für einen Montagnachmittag, aber die erste, schlecht anzufahrende Station ließ ich noch links liegen. Bis zu meiner Heimattanke würde ich es locker schaffen.
Dort angekommen fiel mir das Grinsen aus dem Gesicht: Einsfünfunddreißigneun je Liter! Das ist ja wohl nicht der Ernst der Ösis! Zur billigeren Tankstelle zurückzufahren wäre eine Option gewesen, kam aber mangels Zeit und Lust nicht in Frage. Also tröpfelte ich missmutig für 15 Euro Sprit in den Tank und ging an die Kasse, wo ich schon im Hereinkommen fragte, ob denn der Frost der Anzeige einen Streich gespielt hätte: Knappe 12 Kilometer weiter koste Superbenzin satte 10 ct weniger!
Die mir vom Sehen bekannte Kassiererin stimmte in mein Lamento ein. Ständig bekäme sie Meldungen, wonach sie Preisanpassungen vornehmen müsse und vor zwei Stunden hätte ich auch bei ihr noch 8 ct weniger berappen müssen. Sie sei aber sicher, dass besagte, andere Tankstelle in den nächsten Minuten nachziehen werde.
Wie wir so vor uns hin schimpften, auf horrende Energiesteuern, gierige Konzerne und das Gesindel unersättlicher Ölmultis, die sich von unserem sauer Verdienten gigantische Protzbauwerke in die staubige Wüste pflanzten, schlossen wir den Zahlungsvorgang ab. Sie reichte mir den Kassenzettel und über unserem Geplauder war ich wohl etwas unachtsam geworden. Ich fragte, ob ich ihr denn eigentlich schon Geld gegeben hätte, was sie bejahte.
Ich war aber sicher, anfangs 25 € im Beutelchen gehabt zu haben. Jetzt waren noch 20 darin. Hatte ich ihr nur einen 5-€-Schein gegeben, was sie wegen unserer regen Unterhaltung nicht registriert hatte?
Einen kleinwinzigen Augenblick dachte ich darüber nach, die Sache auf sich beruhen zu lassen, meine Schnauze zu halten und mit 45 ct je Liter so billig getankt zu haben, wie noch nie zuvor. Mein Hirn lief jetzt auf Hochtouren: Einerseits war ich doch fast 100 %ig sicher, was meinen Bargeldbestand betraf. Fast war aber eben nur fast. Und falls ich doch 10 € zu wenig bezahlt hatte: Wer zahlte die Differenz? Der Konzern? Die Kassiererin? Oder würden solche Fehlbestände aus irgendeinem internen Reserve-Wechselgeld-Pool aufgefüllt, ohne die Frau zu belasten? Ich wusste es nicht. Also erklärte ich der Kassiererin meine Vermutung, aber sie meinte, jetzt nicht feststellen zu können, ob Geld fehle. Das würde sie erst am Abend beim Kassensturz sehen.
Ich bot an, Name und Telefonnummer zu hinterlassen, damit sie mich anrufen könnte, falls die 10 € doch fehlen würden, dankbar nahm sie die Angaben auf.
Als ich Hank und dem MamS zurück im Auto die Geschichte erzählte, zweifelten sie unisono an meinem Geisteszustand. Ich sei „schön blöd“, so lautete ihr Urteil. Ganz kurz zweifelte ich jetzt selbst, aber sofort nahm mein Unrechtsbewusstsein wieder Fahrt auf: Nein, ich mochte die Kassiererin und hatte richtig gehandelt.
Jetzt, da ich dies schreibe, müsste die Schicht der Frau schon zu Ende sein, einen Anruf erhielt ich nicht. Ich muss also doch richtig bezahlt haben und schlafe nun mit dem ruhigen Gewissen ein, dass ich ihr einen Fehlbestand in der Kasse erspart hätte und dem kleinen Hank ein Vorbild in Sachen Fairness und Aufrichtigkeit war. Außerdem trage ich ein minimalen Beitrag zu den gigantischen Energiekosten, die allein die Klimaanlage des neuen Burj Khalifa minütlich verschlingt, damit die Sheikhs und Millionäre des Planeten ihre privilegierten Hintern auf gekühlte Klodeckel sinken lassen können. Vielleicht haben die Jungs ja recht und ich bin ja doch ein bisschen verrückt.
Euch eine ehrliche Nacht wünscht
moggadodde