Weit gefailt

Eine Zeitungsannonce im Allgemeinen und eine Kontaktanzeige im Besonderen erfordert in der Regel nicht wenig Sorgfalt in der Formulierung und kostenlos ist so ein vierzeiliger Selbstvermarktungsversuch ja auch nicht.
Ich erwarte kein handgeschöpftes Büttenpapier für eine Antwort, wäre sogar mit einem dahergelaufenen, 80 g/qm-Recyclingramsch zufrieden gewesen, aber eine lumpige, rosafarbene Karteikarte

Formfehler

ist dann doch zuviel der Formlosigkeit und unsere Auftraggeberin wird die eigenwillige Nachricht wohl nicht mal entziffern können. Das hat die Konkurrenz aber deutlich besser gemacht, mein Herr!

Euch eine rosige Nacht wünscht
moggadodde

Die Mutter aller Derbys

Nach der glücksfalltechnischen Saure-Gurken-Phase der letzten Wochen war es allerhöchste Zeit, dass mal wieder irgendwo ein Treffer rausspringt und weil es sich um Freikarten fürs Derby Würzburger Kickers gegen den WFV handelt, verlost vom bayrischen, politischen Platzhirschen mit dem Löwen hinterm „U“, ist zumindest der MamS hocherfreut.
Ohne den Satz im Kästchen auf dem Übersendungsschreiben,

Freie Karten

der diesem Gewinn aber schon wieder a weng a Gschmäckle nach dem Motto „Geb ich dir Karten, gibst du mir Stimme“ verleiht, hätte ich die Aktion noch besser gefunden. Eine einfache Aufforderung, überhaupt zu wählen, hätte es auch getan. Aber nun, der Gaul ist geschenkt und wer unbestechlich ist, werfe auf der Stelle den ersten Stein.
Wegen zweier Derbykarten lasse ich mich allerdings noch nicht in meiner Wahl-Wahl beeinflussen und auch wenn das schon ein netter Versuch ist: Für einen neuen Wäschetrockner wäre meine Ankreuzhand vielleicht eingeknickt.

Für „Derby“ gibt es kein ähnlich kurzes, deutsches Wort, aber der Ursprung des Begriffs geht auf einen seit dem Mittelalter stattfindenden, ballsportähnlichen Wettstreit im großbritannischen Ashbourne, Derbyshire zurück. Fast ohne nennenswerte Regel versuchen zwei Mannschaften, bestehend aus einer unüberblickbaren Anzahl von Menschen auf einem ungefähr 5 km langen „Spielfeld“ mit einer medizinballgroßen, korkgefüllten Kugel dreimal das gegnerische Tor, das aus einer Steinpyramide besteht, zu berühren. Die Spielzeit erstreckt sich auf 8 Stunden an jedem der beiden Spieltage bis spätestens 22 Uhr, wobei der Transport des Balls in Rucksäcken oder Fahrzeugen verboten und bei Spielausübung Mord sowie weitere, unnötige Gewalt verpönt sind. Das ganze sieht dann so aus

und was den Spaniern in Buñol ihre Tomatina, den Dänen in Roskilde ihr Nacktrennen und den Deutschen in München ihr Oktoberfest ist, bedeutet den Engländern in Ashbourne ihr Royal Shrovetide Football-Massenringelpietz mit Nachtreten. Bei aller Rivalität unter den beiden Stadtclubs wird es im Gegensatz zur echten Mutter aller Derbys am Freitag in Würzburg wohl richtig zahm zugehen.
Und nur, damit auch das klar ist: Ich bin selbstverständlich für den WFV, gar keine Frage!

Euch einen wählerischen Tag wünscht
moggadodde

Der Diktator macht auf dicke Hose

Wer erinnert sich nicht an die Geschichte vor gut einem Jahr, als der liebliche Sohn Hannibal des libyschen Pfingstochsen Gaddafi ein unschönes tete-a-tete mit den Schweizer Behörden hatte, als Sohnemann nämlich mit seiner Holden in einem Genfer Hotel zwei Bedienstete körperlich misshandelt haben soll. Ich weiß ja nicht, wie das in Libyen so läuft und es mag einem nordafrikanischen Herrschersohn edlen Geblüts von seinem überirdischen Blickwinkel aus auch nicht ganz nachvollziehbar erscheinen, aber bei den Schweizern ist es nicht erlaubt, seine Angestellten zu vermöbeln, was Hannibal verständlicherweise bedauerlich findet.

Ein wenig väterliches Säbelrasseln mit der Ölkanne in Richtung der eidgenössischen Gefilde und einige Pressionen an Schweizer Geschäftsleuten im fernen Libyen würden genügen, um die Sache im Sande der Sahara verlaufen zu lassen, dachte ich und musste heute erschrocken feststellen, dass der stolze Herr Gaddafi sen. immer noch auf dem Rachekamel reitet und den weiteren Fleck auf der ohnehin niemals weißen Weste seines feinen Söhnchens Hannibal nicht auf sich beruhen lässt.

Zum finalen Schlag gegen die Schweizer mit ihrer wirklich widerlich humanen Gesetzgebung holt der dolle Diktator aber jetzt aus: Vor der UN-Vollversammlung soll er ganz formell die Auflösung der Schweiz beantragt und gleich noch vorgeschlagen haben, das Staatsgebiet der Schweiz an die umliegenden vier Länder aufzuteilen.
Na, das ist doch eine feine Idee! Rein kartographisch betrachtet müsste Deutschland u.a. den Kanton Zürich erhalten, wo ein Großteil der feinen Banken residiert und so kämen auch endlich die Nummernkonten unserer zahlreichen Steuerflüchtlinge in den Einzugsbereich des deutschen Fiskus. Schon aus monetären Erwägungen müssten die Anrainerstaaten dem Herrn Gaddafi für diesen absurden Einfall eigentlich die sandigen Füße küssen.

Natürlich ist das alles gar nicht so witzig, sondern eher schrecklich traurig, wenn ein postpotenter Potentatenpapi seine politische Position für einen bockbeinigen Rachefeldzug wegen seines ungeratenen Juniors missbraucht, sich mit solchen Eingaben selbst zum verblendeten Vollhorst stempelt und ein Gremium beschäftigt, das sich mit viel wichtigeren Dingen abzugeben hat als mit den hanebüchenen Anträgen einer beleidigten libyschen Leberwurst.
Eigentlich wäre die Familie Gaddafi ein richtiger Fall für die Super-Nanny, die dann nicht nur den kleinen Hannibal sondern auch seinen Vater auf die Stille Treppe setzt, die vorzugsweise in einen schalldichten Keller führt, der wiederum mit einem hübschen Vorhängeschloss gesichert ist und wo die beiden ein paar Monate sitzen und sich von Emmentaler Käse und Bündnerfleisch ernähren und Heidi-Videos in Endlosschleife berieseln lassen müssen. Und wenn die Super-Nanny aus Versehen den Kellerschlüssel verbummelt, würden sicher nicht nur die Schweizer nichts vermissen.

Euch eine feierliche Nacht wünscht
moggadodde

Das Schweigen der Lämmer

Auch wenn ich auf dem Land wohne, Schafherden sehe ich nur in der Zeitung und dort meist auch nur liegenderweise und mausetot, weil sie ihrem Hirten ausgebüxt sind und es sich letztmals auf den Bahngleisen gemütlich gemacht haben.
Weit weg von jeglichem Autoverkehr hat dieser Naturbursche

Zum Schaf Ott

seine Herde in die Nähe des Schenkenturms gebracht und hätte gerne mehr über sein ähhm, Geschäft gewusst, wie es sich als Schäfer so lebt, ob es Schäferunterschlupfe gibt für den Fall, dass ein Hagelschauer aufzieht, ob er ohne Mobiltelefon eine neue Weide findet und was man als Schäfer macht, wenn man unvorhergesehen einen Hütehund mit Durchfall oder unbändige Lust auf ein Leberkäsbrötchen hat. Ich hätte wissen wollen, wer auf die Herde aufpasst, wenn er mal seine Klamotten waschen muss oder die Schuhe durchgelaufen sind. Ob es einen mobilen Zahnarzt gibt, der Schäfer behandelt und wie er seine Post vom Finanzamt erhält. Und ob er es genießt, eine fest installierte Toilette zu besuchen.
Auf meine betont zaghaften Annäherungsversuche reagierte der Schäfer aber eher ablehnend. Mit einem „jojojo“ drehte er unserer gar nicht erst begonnenen Unterhaltung den Saft ab und mir den Rücken zu zum Zeichen, dass er mit einer vermeintlich sentimentalen Romantikerin mit verklärtem Schäferweltbild nicht zu parlieren gedenkt.
Wäre er nur ein bisschen kooperativer gewesen, hätte ich ihm aus dem nahen Restaurant einen Kaffee geholt. Vielleicht hätte er auch lieber einen Tee gehabt. Ich werde es nie erfahren.

Euch eine gesellige Nacht wünscht
moggadodde

Es kommt doch auf die Länge an

Wenn in den Hallen dieses altehrwürdigen Blogs derzeit postingtechnisch ein wenig Flaute herrscht, könnte das auf den ersten Blick im Sommerloch, den unmenschlich langen Schulferien oder der Tatsache begründet liegen, dass die moggadoddeschen Weinvorräte zu Ende gehen.
Ein erkleckliches Maß Mitschuld liegt allerdings in dem hübschen, hellblauen Knöpfle gleich rechts neben diesem Eintrag.
Twitter, so dachte ich lange, sei ein völlig überschätzter Nonsens und unnötig wie ein Kropf am Hals einer Jungfrau. Das denke ich nach ein paar Wochen zwar immer noch, bin aber trotzdem entflammt.
Angetan vom Zusehen, wie die äußerst rührige @textzicke ihre chronische Verbaldiarrhoe so erfolgreich zum Fishing for Followers nutzt, bin ich begierig darauf, mir mit @terrorythmus kleine wortakrobatische Battles zu liefern oder neugierig auf Botschaften oder Befindlichkeitsberichte mir persönlich bekannter Personen zu warten. Nörgler könnten jetzt einwerfen, dass man mit letzteren auch einfach telefonieren könnte, aber mit Twitter geht das viel effizienter. Ich habe z.B. gerade keine Lust auf langes Telefongequatsche, erfahre aber trotzdem, dass die Karre von @der_roe die Grätsche gemacht hat und eine neue Lichtmaschine braucht.

Forscher der Universität von Süd-Kalifornien wollen festgestellt haben, dass der dauerhafte Gebrauch von Portalen wie z.B. Twitter den moralischen Kompass im Gehirn fehlleitet und für eine wachsende Gleichgültigkeit gegenüber menschlichem Leiden verantwortlich ist, weil die massierte Nachrichtenflut ein handelsübliches Oberstübchen überfordert und durch die Rasanz der auflaufenden Botschaften eine Entwicklung von Emotionen wie Mitleid oder Bewunderung verhindert wird. Zum Gefühlskrüppel mit Twitter, na ich danke. Erleichtert war ich dann etwas als ich las, dass vorrangig noch nicht voll ausgebildete Gehirne betroffen sind, denn so kann ich mich ja wenigstens in dieser Hinsicht glücklich schätzen, dass meine gammeligen Neurotransmitter schon zwei Generationen auf dem Buckel haben und sich mein EQ schon vor Erfindung von Blogs oder Twitter auf, so behaupte ich, mustergültige Werte eingependelt hat. Bei meinen, zugegeben noch nicht sehr ausgedehnten Streifzügen durch Twitterworld sind mir allerdings nur User begegnet, die sich auch auf 140 Zeichen zu artikulieren wissen und der Schreibe nach jenseits der Volljährigkeit angesiedelt sind. Ich glaube, das Jungvolk tummelt sich eher auf StudiVZ oder SpickMich und nach den Dialogen zu urteilen, denen ich anlässlich einiger Schulterblicke bei Dixie ansichtig werden durfte, sind dort viel mehr potenzielle Kandidaten für den Seelenklempner unterwegs als bei Twitter oder Facebook.

Voraussetzung für die seelische Invalidität bei Benutzung all dieser Plattformen ist doch, dass soziale Kontakte außerhalb des Netzes nicht gepflegt werden und da fällt mir jetzt spontan schon der eine oder andere ein, den ich wieder einmal anklingeln müsste. Aber mit halbflüggenen Kindern und einem MamS bin ich eigentlich immer ganz froh, meine Klappe halten zu dürfen, nur beim Tippen die Finger bewegen zu müssen, schweigend abzutauchen und trotzdem teilzuhaben am Geschehen im Rest der Welt.

Durch die Tatsache, dass in der vergangenen Woche z.B. Herr @AgenteCatarella noch direkt aus dem Kreissaal getwittert hat und Tausende von Followern quasi live bei jeder Presswehe und dem finalen Entschlüpfen des Babys aus der Gattin Bauch Lesezeuge werden durften, ist meines Erachtens auch der Vorwurf der kalifornischen Forscher widerlegt: Der moralische Kompass hat beim Livetwittern direkt aus der Geburtsklinik offenbar nicht nur bei mir ziemlich stark ausgeschlagen.

Twittern ist nicht schlecht. Wie mit allem kommt es nur darauf an, was man damit macht. Und genau deshalb könnte man das so sehen: Twittern ist so wie ein Quickie mit einer angeschickerten Kneipenbekanntschaft in einem Aufzug, aber Bloggen ist immer noch wie ausdauernder Sex mit einem glutäugigen Liebhaber auf einem duftenden, baumwollenen Himmelbett: Beides hat seinen ganz eigenen Reiz.

Euch einen befriedigten Abend wünscht
moggadodde