Und jetzt ohne Anlauf

Mach mich doch nicht kirre, Mann! Es stimmt ja, dass ich im letzten Jahr eher unfreiwillig meine Knöchelbänder auf ihre Elastizität geprüft habe und danach fast zwei Monate an zwar stylishen aber doch saublöden Krücken humpelte.
Man kann sowas aber auch herbeireden, deshalb sind die Worte „Kreislauf“, „umknicken“, „Notfallambulanz“ und „Scheißdreck, verdammter“ heute für alle sprechfähigen und um ihr Leben besorgte Personen in meinem Dunstkreis absolut tabu.

Ich bin wild entschlossen, meine Verweilzeit im Naturerlebnisbad Schöllkrippen heuer auszudehnen und mir nicht schon in der ersten halben Stunde gar nicht erst die Beine, die Arme oder den Hals zu brechen.
Ich lege mich auf die Matte und bewege mich nicht. Das habe ich dem MamS versprochen.

Euch einen rührigen Tag wünscht
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Maria, mir schmeckt’s nicht!

Ich werde nie müde zu beklagen, dass hinsichtlich des 15. August in Bayern eindeutig eine völlig hirnrissige Art von Glaubenskonflikt besteht. Die Lage des Arbeitsplatzes, das muss man sich mal vorstellen, entscheidet darüber, ob an Maria Himmelfahrt aufgestanden werden muss oder liegengeblieben werden kann, entscheidet darüber, ob Feiertag ist oder nicht. Bei jeder Gewerkschaftsverhandlung wäre das Geschrei enorm, würde man einen Urlaubstag kappen. Die Leute, die in evangelischen Orten Dienst tun, mussten heute raus. Feiertag in Bayern für alle oder für keinen, so sehe ich das.

Ich hätte ja heute liegen bleiben können und wer mich kennt weiß, dass ich nichts lieber tue als zu schlafen, bis die Sonne fast ihren Höhepunkt erreicht hat. Wenn ich kann und falls die Sonne scheint.
Um 6.56 Uhr allerdings haute mich Hank aus dem Bett mit dem Wunsch, an seinem Ãœbernachtungsort in Holzwurmingen abgeholt zu werden. Zähneknirschend fuhr ich los und wenigstens entschädigte mich das wunderschöne Morgenlicht auf meiner Fahrt über Land und auch der nette Mann, der unterwegs anhielt und sich erkundigte, ob ich eine Panne hätte, weil ich hier frühmorgens auf der Landstraße stünde. Ich verneinte: „Das Licht, das Licht ist so schön um diese Zeit!“ und er schaute mich verständnisvoll an.

Liebliche, frankische Hüüchel Hilfe, hell!

Meinen Vorsatz, mich nochmal hinzulegen, verwarf ich. Zu schön ist der Tag und es wert, richtig ausgekostet zu werden.
Der MamS ist gerade unterwegs zu seinem Lieblingsbäcker, der in seiner – katholischen – Gemeinde einen ziemlichen Affront leistet, indem er heute seine leckeren Bröödli verkefft. Dieser Rebellenbäcker wird von uns, nicht ganz uneigennützig, unterstützt.

Euch einen wunderbaren, sonnigen, schönen und arbeitsfreien oder zumindest -armen Tag wünscht
moggadodde

Hoffnungslos

Die Hoffnung ist bekanntlich die Mutter der Dummen und ich bin scheinbar die Kaiserin der Blödianer. Seit Wochen schiebe ich den Besuch im „Hangar der Hoffnung“ mit der granatigen Birgit Süß vor mir her. Der MamS hat wie immer, wenn die Muse der Theaterkultur ihren Schlüpfer schwingt, nicht recht gezogen und ich habe mich dummerweise dazu verleiten lassen, den Ticketkauf immer wieder hinauszuschieben; für ein Freilufttheater gibt es ja auch gewisse Rahmenbedingungen.
Die letzten Vorstellungen laufen in dieser Woche und wie ich jetzt gerade erfahren habe, ist diese Veranstaltungsreihe hoffnungslos ausverkauft. Ich könnte es mir jetzt einfach machen und dem MamS die Schuld für meine Untätigkeit in die Schuhe schieben und weil ich mich so maßlos ärgere über mich und ihn und hoffnungslos sauer bin, tue ich das jetzt auch.
Den Arschtritt, den ich mir gerade selbst verpasst habe, hat man hoffentlich bis Husum gehört.

Euch einen hoffnungsvollen Abend wünscht
moggadodde

Formel Keins

Der erste Pinkelpott, die erste Büchertasche, Aufladungen fürs Handy – alles das sind nur beispielsweise Anschaffungen, für die von alters her der Pate verantwortlich zeichnet. Für Dixie kam ich auf die Idee, meinen einzigen Bruder für das Amt des Taufpaten zu rekrutieren. Und weil er damals ja noch keinen triftigen Grund zur Ablehnung hatte, sitzt er nun mit uns in einem Boot.
Deshalb durfte er heute seine Nerven und sein Auto für einen Ausflug bereit stellen. Und weil ich ihn nicht alleine leiden lassen wollte und er ja ggf. einen Unfallzeugen für die Versicherung gebraucht hätte, fuhr ich mit.

Der Verkehrsübungsplatz in Lauda-Königshofen ist nicht besonders groß und erinnert an die Fahrgeschäfte auf Volksfesten, in denen die Kinder in Karossen auf Schienen über den Parcours befördert werden, dabei wie verrückt an den Lenkern kurbeln und sich einbilden, sie führen selbst. Einige, eng gezeichnete Straßen gesäumt von geduldiger Rasenfläche, ein paar Ampeln, die wichtigsten Verkehrsschilder und aus gutem Grunde kein Baumbestand, fertig ist die Driving Range für motorisierte ABC-Schützen und der Unterschied zum Volksfest-Fahrgeschäft ist schnell erklärt: Es ist alles echt und bitterer Ernst.

Der Fahrzeughalter auf der Beifahrerseite mit seiner einsatzbereiten Linken an der Handbremse, ich auf dem Rücksitz, machtlos und zurückhaltend mit jeglichem Fahr-Rat: Während der ersten, quietschenden Anfahrversuche blieb schon mächtig Gummi auf dem Asphalt, aber auch wenn Dixie teilweise vor lauter Konzentration auf das Kupplung-Gas-Spiel mehrere Ampelphasen verpasste (und dafür vom nachfolgenden Nichtskönner-Deppen angehupt wurde!), passierte es irgendwann tatsächlich immer öfter, dass sich der Golf ohne quietschende Reifen von der Stelle bewegte.

Straße frei!

Für realistische Verkehrsbedingungen sorgte ein orangefarbener, gepimpter und mit zwei Querkappenträgern besetzter Flitzer unbekannten Fabrikats, der mit heruntergelassenen Scheiben über den Platz heizte, was eine gute Gelegenheit war, Dixie gleich mit der einschlägigen Gestik und Mimik hinter dem Steuer vertraut zu machen: Effenberg, Scheibenwischer und das Vögelchen wollen schließlich auch geübt werden. Nach Abmahnung des Platzwarts schürten die beiden vom Gelände und auch wenn die Pappnasen nun weg waren, fünf oder sechs verbliebene Fahrzeuge reichten, um auf dem kleinen Platz für reichlich Verkehrsgefährdung zu sorgen.

60 Minuten verkrampfter Nervenkitzel für alle Beteiligten für gerade 5 Mücken, inkl. Versicherung für evtl. Schäden an Lichtzeichenanlagen, Beschilderung und Grünflächen, das hört sich erstmal viel an. Aber wer in so einer Höllenschaukel sitzt, für den fühlt sich so eine Stunde glatt doppelt so lang an.
Beruhigt hat mich, dass sich einige viel schlimmer angestellt haben als Dixie, beunruhigt hat mich, dass ich beim nächsten mal wohl mit meinem Auto fahren, außer, der herzallerliebste Pate von allen lässt sich nochmal dazu breitschlagen. Und dann üben wir vielleicht auch mal den dritten Gang, gell?

Euch eine unfallfreie Nacht wünscht
moggadodde

Populärmusik aus Rääkkylä

Nicht nur die ganz Alten werden sich erinnern: Bevor der „Eurovision Song Contest“ endgültig zum öffentlich-rechtlichen Beruhigungsmittel wurde, nannte sich das „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ und hatte einige Jahre die Regel, dass der jeweilige Interpret in seiner Landessprache singen musste. Nun hörte sich nicht nur für mitteleuropäische Ohren z.B. das norwegische oder jugoslawische Idiom derart fremd an, dass diese das Erreichen der vorderen Plätze schon beim ersten Ton ganz schnell knicken konnten.
Auch die finnische Sprache war so ein Fall. Mit diesem/r/s „Lordi“-Krampf konnten die Finnen erst 2006 zum ersten Mal gewinnen, auf englisch – klar.
Deshalb fand ich es ziemlich gewagt von mir, heute im Hafensommer bei „Värttinä“ dabei zu sein. Neugierig war ich aber trotzdem, schließlich soll Värttinä besonders im skandinavischen Raum und bei nicht wenigen Leuten in der ganzen Welt eine richtig dicke Nummer sein.
Niemand wollte mich begleiten, also musste nach dem „In guten wie in schlechten Zeiten-Prinzip“ der MamS dran glauben. Er hat es überlebt, sagen wir mal so. Er ist aber auch nicht so aufgeschlossen, wie ich.

Värttinä im Hafensommer

Beim Begriff „Folk“ sehe ich wehende Gewänder, lächelnde Leute und nackte Füße, „Pop“ steht bei mir für Radiokompatibilität und den Begriff „Folkpop“ hätte ich gar in die Kelly-Family Ecke gestellt.
Hm. Värttinä ist das alles gar nicht. Die drei agilen, weiß gewandeten und barfüßigen Frontfrauen zogen mich mit ihrem durchdringenden Sirenengetöse anfangs überhaupt nicht an. Stakkati rollender „Rrrrrrs“ und überhaupt viel mehr Umlaute und Konsonanten, als das Alphabet insgesamt zu bieten hat – ich versuche auch bei gänzlich unbekannten Sprachen wenigstens Fetzen zu verstehen, um mir meinen Reim darauf zu machen. Bei Värttina und dem wohl verwendeten, finnkarelischen Dialekt hatte ich da beim ersten Ton natürlich verloren. Deshalb nahm ich den Gesang irgendwann einfach wahr wie ein Instrument. Die unglaublich harmonisch dargebotenen Stimmen waren nichts anderes als Mittel zum Vervollständigen dieser Stücke, so wie das Keyboard, der viersaitige Bass und das eindrucksvolle Schlagzeug.
Bis ich das geschafft hatte, war zwar schon Pause, aber danach war ich besser „drin“, wie man wohl sagt. Plötzlich fing mein Fuß an zu wippen und plötzlich hörte ich Musik, die mich an schneebedeckte nordische Landschaften erinnerte, an China, an Russland, dann wieder an indianische Weisen und jetzt verstand ich ein bisschen, warum dieses Genre auch „Weltmusik“ genannt wird. Schräg und fremd und immer noch wie nie gehört – ehrlicherweise muss ich zugeben, dass sich viele schnelle Songs trotzdem sehr ähnlich waren und mir die langsameren Stücke leichter ins untrainierte Ohr gingen.

Meistens aber droschen die Damen scheinbar ohne je Luft zu holen ihre glasklaren Sirenenstimmen wie neunschwänzige Peitschen direkt auf die Stufen der wunderbaren Hafensommer-Bühne. Värttinä bescherte mir zwar jedenfalls einen interessanten Ausflug in andere Musikwelten, ist für mich aber sicher kein dauerhaftes Urlaubsdomizil.
Bei Biffo gibt es übrigens viele und vor allem bessere Bilder von heute und einen einschlägigen Clip eines anderen Auftritts.

Euch eine ungewöhnliche Nacht wünscht
moggadodde