Noch bevor es in die heiße Phase des Wahlkampfs geht findet Frau Schavan, dass Kinder statt mit sechs schon mit vier Jahren beginnen sollten zu lernen, schließlich seien viele Sechsjährige bereits nach dem ersten Schuljahr frustriert, weil unterfordert. Ich weiß ja nicht, wie viele Klein- oder Vorschulkinder die Bildungsministerin in ihrem Bekanntenkreis hat, viele dürften es nicht sein.
Man muss nicht wie Frau Schavan Erziehungswissenschaften studiert haben um zu wissen, dass Kinder permanent lernen und zwar spätestens ab dem Zeitpunkt, da sie aus Mutters Bauch flutschen. Sie lernen, sich allein den Brei ins Gesicht zu schmieren, die Wohnzimmerwand zu bemalen oder merken, dass Nacktschnecken zwischen den Zehen quietschen, wenn man darauf tritt. Sie lernen, sich alleine anzuziehen, ihre Blase zu kontrollieren, die Eltern erfolgreich um Schokolade anzubetteln oder dass es zwar „Hallo, Frau Meier!“, aber nicht „Hallo, Mann Meier!“ heißt. Sie lernen schon vor der Schule fürs Leben, aber ohne es zu merken.
Die Frage ist also nicht, mit wie vielen Jahren ein Kind zur Schule geht, die Frage ist, wer sich mit dem Kind beschäftigt und es fördert, nach den allermeisten bemühten und liebevollen Eltern sind das im Kindergarten ebenfalls bemühte, liebevolle aber leider hoffnungslos unterbezahlte, überarbeitete Erzieherinnen, die ihr Bestes tun, den Kindergarten nicht zur bloßen Verwahranstalt für Kinder berufstätiger Eltern werden zu lassen und das mit einem Personalschlüssel, der Hohn und Spott verdient.
Nach dem ersten Kopfschütteln meinerseits habe ich den Plan von Frau Schavan ja schon durchschaut: Kindergärten werden endlich abgeschafft, denn sofort nach Beendigung der Elternzeit wird der wissensdurstige Nachwuchs eingeschult! Keine nervenden Kindergartenstreiks mehr, keine kreuzlahmen Erzieherinnen mit Aussicht auf BU-Rente und auch keine Beschwerden angepisster Nachbarn mehr wegen Kindergeplärre in Presslufthammerlautstärke. Frau Schavan selbst hat ja keine Kinder, sonst würde sie wissen, dass es egal ist, ob ich einen schreienden Vierjährigen einer Kindergärtnerin oder einer Lehrerin in die Arme drücke, bevor ich mich mit schlechtem Gewissen aus dem Gebäude flüchte.
Vielleicht könnte der Irrsinn noch ein bisschen weiter gehen: Bald nach Einführung der Schulpflicht für Vierjährige werden kleine Ei-Phones Vorschrift, die auf den Schwangerenbauch geschnallt und durch die die Ungeborenen ein paar Stunden täglich mit Fontane, Schiller oder Sokrates beschallt werden, um sie schon im Mutterleib mit Bildungsterror zu bombardieren. Und wenn die ersten Worte des Kleinen dann nicht „Papa“, „Mama“ oder „Fielmann“, sondern „Fest gemauert in der Erden“ lauten, darf er nahtlos aufs Gymnasium wechseln, vorausgesetzt, er braucht keine Windel mehr.
Euch einen lehrreichen Tag wünscht
moggadodde