Harry Potter und der Steinmeier der Weisen

Eine Bundestagswahl ist ja auch ein bisschen eine Persönlichkeitswahl und weil Herr Steinmeier physiognomisch eine gewisse Ähnlichkeit mit meinem Ex-Chef aufweist, bin ich zugegebenermaßen mental voreingenommen, was meine Kreuzchenfrage im September betrifft; er müsste also schon richtig was mit Hand und Fuß vom Stapel lassen, um meine Gunst zu erhalten.
Dass er nach Frau Ullas verunglückter Spanienposse ein paar Quadratmeter Boden gut zu machen versucht, ist nur legitim. Aber mit dem windigen Versprechen, binnen 10 Jahren in Deutschland die Vollbeschäftigung herbeigeführt haben zu wollen, lehnt er sich doch ein bisschen sehr weit aus dem Kellerfenster. Ein Wahlversprechen ist doch nur dann ein Wahlversprechen im eigentlichen Sinn, wenn es nicht schon bei Abgabe als nur allzu durchsichtige Werbelyrik erkennbar ist.
Möglicherweise hat Muggel Steinmeier ja ein bisschen zu viel Harry Potter gelesen und dabei doch noch nicht realisiert, dass in der Realität weder der Hogwarts-Express noch ein Gleis 9 3/4 existiert.

Ich als mündiges Stimmvieh gehe in die Wahlkabine zwar schon mit dem untrüglichen Wissen, letzten Endes doch nur geleimt zu werden. Aber ich erwarte wenigstens, dass man sich beim Bescheißen ein bisschen Mühe gibt. Im Erfinden von phantastischen Geschichten ist Frau Rowling jedenfalls um Längen besser.

Da fällt mir ein gar liebliches Gedicht von Bertold Brecht ein:

An jenem Tag im blauen Mond September – Still unter einem jungen Pflaumenbaum
Da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe – In meinem Arm wie einen holden Traum.
Und über uns im schönen Sommerhimmel – War eine Wolke, die ich lange sah.
Sie war sehr weiß und ungeheuer oben – Und als ich aufsah, war sie nimmer da.

Besser kann man einen Wahlversprecher wohl kaum beschreiben. Wir sehen uns im September, Herr Steinmeier!

Euch einen zauberhaften Abend wünscht
moggadodde

Quantensprung

Drei Tage vor den Sommerferien sieht Hank aus, als wäre er unter einen Bus gekommen. Schrammen, bereits grindige Abschürfungen ebenso wie offene, nässende Wunden, die immer wieder mit dem Pflaster verkleben und jeden Verbandswechsel zu einer Geduldsprobe werden lassen sowie jetzt noch eine heftige Prellung am Ellenbogen:
Er behauptet, es seien jeweils unglückliche Umstände in der Schulpause gewesen und einmal auch ein übersehenes Bein von Schamhaar-Addi. Ich glaube aber, dass Ursache seiner momentanen Fallsucht etwas anderes ist:

Siebenmeilenstiefel

Arglos zeigte ich ihm die abgelegten, ausgetretenen und olfaktorisch höchst fragwürdigen Vans seiner Schwester, die ihm zwar noch zwei Nummern zu groß sind, die er aber „endgeil“ findet und deshalb nicht mehr von den Quanten kriegt. Dass er damit, wenn’s schnell gehen muss, über seine eigenen Füße segelt, stört ihn nicht, wohl aber mich, die ich ihn dauernd verarzten darf. Mitleid erwartet und bekommt er somit nicht. Schwimmbad ist derart verbunden und geschunden natürlich leider nicht drin, was ihm aber nichts auszumachen scheint. Er trägt seinen Handverband wie eine Trophäe und findet es klasse und total männlich, verpflastert wie ein frisch verarztetes Unfallopfer auf dem Skateboard herumzuhampeln.
Der gute Goethe hat mal wunderschön blumig behauptet, dass „Jugend so etwas wie Trunkenheit ohne Wein“ sei. Wenn das stimmt, dann gerät der gar nicht mehr so kleine Hank allmählich ins Delirium.
Seit neuestem streicht er z.B. ganz beiläufig seine erblich bedingt bereits üppig sprießenden Beinhaare in Form und geht ohne gegelte Haare nicht mal mehr aufs Klo. Nach dem ganzen, teilweise bösartigen Mädelszickenterror freue ich mich fast ein bisschen darauf, den kleinen, noch lieblichen Hank auf dem Weg zum Erwachsenen zu begleiten.
Zugegeben, das ist der momentane Stand. Wir sprechen uns besser nochmal wieder, wenn ich ihn zum ersten mal besinnungslos auf der Herrentoilette vorfinde. Solange genieße ich ihn aber in vollen Zügen.

Euch einen rührseligen Abend wünscht
moggadodde

Die Katze jammert

Nach sehr langen Nächten brauche ich in der letzten Zeit immer länger, um
a.) mich gegen Nachmittag aus einem analogkomatösen Dämmerzustand zu quälen und
b.) meine eigene Person in einen halbwegs tageslichttauglichen Zustand zu versetzen.

Auch mein Denkapparat funktioniert an den Folgetagen immer leicht unflexibel, selbst wenn ich, wie gestern, getränketechnisch im freien Kuba geblieben bin und davon wirklich nicht zuviel genippt habe.

Auch gestern ist mir aber wieder aufgefallen: Es gibt kaum mehr Adamsäpfel in freier Wildbahn. Bis auf einige Ausnahmen gibt es bei jungen Männern nur noch höckerlose Hälse, während auf der anderen Seite die jungen Mädels an der Theke teilweise ziemlich aggressiv den mangelnden Alkoholgehalt ihrer Drinks monieren. Woran liegt das nur? Zuviele Medikamente in der Kuhmilch? Hormone in den Hühnereiern? Elektrosmog? Tschernobyl? Aliens? Ist das Testosteron etwa zum anderen Geschlecht übergelaufen? Befinden wir uns gar auf dem Weg zu einer hormonegalisierten Gesellschaft und wenn ja, warum?

Ich glaube, ich gehe jetzt wieder ins Bett. Ich bin einfach zu alt für diesen Scheiß.

Wenigstens euch einen hellwachen Sonntag wünscht
moggadodde

Barfly

Als Dresscode ist Red ausgegeben und meine Lust, bis morgen früh um vier gefühlte Millionen von Limetten zu quetschen, tendiert mal wieder gegen Null.
Aber immerhin ist der Caipirinha einfach zu machen und ich hege die Hoffnung, deshalb selbst auch ein bisschen am Beachpartygeschehen teilnehmen zu können. Gottlob ist das nur einmal im Jahr. Ich und meine blöde, große Klappe.

Euch eine heiße Nacht wünscht
moggadodde

Schavahnsinn!

Noch bevor es in die heiße Phase des Wahlkampfs geht findet Frau Schavan, dass Kinder statt mit sechs schon mit vier Jahren beginnen sollten zu lernen, schließlich seien viele Sechsjährige bereits nach dem ersten Schuljahr frustriert, weil unterfordert. Ich weiß ja nicht, wie viele Klein- oder Vorschulkinder die Bildungsministerin in ihrem Bekanntenkreis hat, viele dürften es nicht sein.
Man muss nicht wie Frau Schavan Erziehungswissenschaften studiert haben um zu wissen, dass Kinder permanent lernen und zwar spätestens ab dem Zeitpunkt, da sie aus Mutters Bauch flutschen. Sie lernen, sich allein den Brei ins Gesicht zu schmieren, die Wohnzimmerwand zu bemalen oder merken, dass Nacktschnecken zwischen den Zehen quietschen, wenn man darauf tritt. Sie lernen, sich alleine anzuziehen, ihre Blase zu kontrollieren, die Eltern erfolgreich um Schokolade anzubetteln oder dass es zwar „Hallo, Frau Meier!“, aber nicht „Hallo, Mann Meier!“ heißt. Sie lernen schon vor der Schule fürs Leben, aber ohne es zu merken.

Die Frage ist also nicht, mit wie vielen Jahren ein Kind zur Schule geht, die Frage ist, wer sich mit dem Kind beschäftigt und es fördert, nach den allermeisten bemühten und liebevollen Eltern sind das im Kindergarten ebenfalls bemühte, liebevolle aber leider hoffnungslos unterbezahlte, überarbeitete Erzieherinnen, die ihr Bestes tun, den Kindergarten nicht zur bloßen Verwahranstalt für Kinder berufstätiger Eltern werden zu lassen und das mit einem Personalschlüssel, der Hohn und Spott verdient.

Nach dem ersten Kopfschütteln meinerseits habe ich den Plan von Frau Schavan ja schon durchschaut: Kindergärten werden endlich abgeschafft, denn sofort nach Beendigung der Elternzeit wird der wissensdurstige Nachwuchs eingeschult! Keine nervenden Kindergartenstreiks mehr, keine kreuzlahmen Erzieherinnen mit Aussicht auf BU-Rente und auch keine Beschwerden angepisster Nachbarn mehr wegen Kindergeplärre in Presslufthammerlautstärke. Frau Schavan selbst hat ja keine Kinder, sonst würde sie wissen, dass es egal ist, ob ich einen schreienden Vierjährigen einer Kindergärtnerin oder einer Lehrerin in die Arme drücke, bevor ich mich mit schlechtem Gewissen aus dem Gebäude flüchte.

Vielleicht könnte der Irrsinn noch ein bisschen weiter gehen: Bald nach Einführung der Schulpflicht für Vierjährige werden kleine Ei-Phones Vorschrift, die auf den Schwangerenbauch geschnallt und durch die die Ungeborenen ein paar Stunden täglich mit Fontane, Schiller oder Sokrates beschallt werden, um sie schon im Mutterleib mit Bildungsterror zu bombardieren. Und wenn die ersten Worte des Kleinen dann nicht „Papa“, „Mama“ oder „Fielmann“, sondern „Fest gemauert in der Erden“ lauten, darf er nahtlos aufs Gymnasium wechseln, vorausgesetzt, er braucht keine Windel mehr.

Euch einen lehrreichen Tag wünscht
moggadodde