In Reihe 9 von Sektor 27 lässt sich das Meeresrauschen tatsächlich noch leicht hören.
Der feinsandige Strand ist weit und angenehm spärlich bevölkert. Ich weiß, eigentlich gehört dieser Strand den Italienern, aber ich bin froh, dass seit Dienstag kaum mehr Einheimische da sind. Zu laut, zu quirlig und ständig verlieren die ihre Bambini! Im Viertelstundentakt wird per Lautsprecherdurchsage nach kleinen Matteos, Lauras, Faustos und Giulias gefahndet – der Strand von Bibione ist so riesig, dass sogar Erwachsene sich schwer damit tun, den Überblick zu behalten. Ohne nennenswerte Italienerpopulation herrschte wohltuende Leere – ruhiger wurde es dadurch nicht unbedingt. Die drei deutschen Familien mit faktisch 6 und gespürten 20 Kleinkindern im Schlepp bemühten sich erfolgreich, das Nervenkostüm der umliegenden Liegenden zu strapazieren. Vielleicht hat sich in den letzten Jahren im Eltern-Knigge von mir unbemerkt etwas geändert, aber wenn meine Kinder mit ihrem Gepläke an öffentlichen Plätzen anderen auf die Eierstöcke gingen, zog ich mich zurück, bis sie wieder im Normalbetrieb liefen. Die raspelkurzhaarige Mutter mit SozPäd-Habitus und dem „Ich bin Supermami und hab alles im Griff“-Blick schien auf dem Standpunkt, dass Kinder auch mal schreien müssen. Darin gehe ich im Grundsatz mit ihr sogar konform – aber das muss doch verdammt nochmal nicht unbedingt neben mir stattfinden!
Der Urlaub wurde aber dann nach dem Umzug in eine menschenwürdige Behausung doch noch ganz nett. Im venezianisch-barocken Portogruaro verbrachten wir den einzigen, regnerischen Tag und stellten erneut fest, dass die Italiener keine Türme bauen können nicht nur in Pisa in puncto Baukunst gerne mal 5 gerade sein lassen
und einen für meine Begriffe etwas zu laxen Umgang mit der deutschen Geschichte pflegen
Wenn man nun hört, dass es nicht gern gesehen ist, am Strand von Bibione Sandburgen zu bauen, gleichzeitig aber in einem Souvenirladen auf der Flaniermeile flüssige Nazi-Devotionalien feilgeboten werden, erscheint mir das mehr als bedenklich und ich erwäge eine schriftliche Eingabe an Herrn Berlusconi, der doch gegen so ein skandalöses Verkaufsverhalten vorgehen sollte, wenn er zwischen seinen zahlreichen Affären mit jungen, begabt gebauten Damen und dem hauseigenen Rosenkrieg dafür noch Zeit findet. Es gibt ganz sicher zahlreiche hirnlose Synapsenspasten aus aller Welt, die mit so einem Müll ihre Kumpels daheim beeindrucken wollen. Manchmal finde ich es schon schade, dass die Grenzkontrollen weggefallen sind. Scheiß doch auf Schengen!
Das Thema „Kultur“ beschränkte sich in diesem Urlaub jedenfalls auf die Ausforschung einheimischer Gelati-Sorten und der Betrachtung von Touritand keramischen und Modeschmuckerzeugnissen. Bibione ist jetzt nicht unbedingt ein kunsthistorisch bedeutsamer Fleck, sondern ein seelenloser und flairfreier Badeort mit ausnahmslos fragwürdiger Architektur, dessen Zentrum eine überfüllte Vergnügnungsmeile bildet und dessen phänomenaler Strand das einzige Kapital ist. Wer sich darüber vorher klar ist, kann in Bibione sicher ein paar nette Tage verbringen, und das haben wir dann letztlich doch noch geschafft.
Euch einen sonnigen Tag wünscht
moggadodde