Chick sans Speed

Zwei Wochen ohne den hauseigenen Putzteufel Reinigungsregenten haben unübersehbare Spuren hinterlassen, nicht zuletzt, weil die derzeitige Haushaltsvorständin eine stinkfaule Trine diesbezüglich zuletzt etwas unlustig war. Überraschenderweise wuchs sich ihre heute früh zaghaft aufkeimende Sehnsucht nach Sauberkeit im Lauf des Tages zu einem lupenreinen Putzkoller aus. Viele Stunden, zwei Fingernägel sowie einen kleineren, aber deutlich spürbaren Stromschlag später (Merke: Das Tuch zum Abstauben der Multimedia-Abteilung sollte nicht zu feucht sein), betrachtete sie ihr Werk und sah, dass es wohlgetan war.

Allerdings vermute ich hinter meinem heute ziemlich beeindruckenden Tagespensum (Staub, Fenster, Betten, Nasszellen, Terrasse, Hasenstall, Entsorgung zahlreicher erfrorener Gammelpflanzen plus Aussaugen eines Fahrzeugs danach) eher ein dem bekannten „Runner’s High“ vergleichbares „Hunger’s High“.
Die Zufuhr minimalmöglicher Kalorien treibt mich nämlich derzeit an wie einen frisierten V8-Motor auf rasender Bergabfahrt. Unverdünntes Endorphin scheint meine Venen zu fluten und und ich hoffe sehr, dass mir nicht bald der Sprit ausgeht, denn es herrscht noch reichlich Handlungsbedarf, und zwar an beiden Fronten und wenn der MamS hier in weiteren zwei Wochen wieder aufschlägt, wird er sich wundern, dass

a. die hiesigen Hallen auch ohne ihn richtig sauber sein können (was er gerne mal bestreitet) und ich
b. ein hübsches Stückchen weniger geworden bin.

Für morgen steht nach der Arbeit die Entkalkung eines nervtötend spritzenden Wasserhahns sowie die Begehbarmachung von Hanks Bombentrichter auf dem Plan. Wenn ich daran denke, sollte ich vielleicht doch noch ein paar Pillen rauskramen …

Euch eine rauschende Nacht wünscht
moggadodde

Pax Mogga

Als ich ungefähr 11 Jahre alt war, gab es Uwe. Uwe war ein Drecksack, der sich einen Spaß daraus machte, andere und da ausschließlich Schwächere und Mädchen, zu ärgern. Ich erinnere mich noch gut daran, als ich mit meinem damals todschicken, gesmokten Neckholder-Oberteil im schattigen Gemeinschaftshof saß, während sich der rothaarige und kompakt gebaute Uwe von hinten anschlich und mir seine sommersprossige Bratpfannenpranke auf den leuchtend roten weil sonnenverbrannten Rücken knallte.
Uwe war echt ein Arschloch und ziemlich brutal. Schwächere Jungs machten einen Bogen um ihn, weil er unberechenbar war und auch wenn man an ihm vorbei lief und nur komisch guckte, hatte man schnell den massigen Uwe an der Backe, der einem dann den Arm in einer Art Kreuzfesselgriff fest auf den Rücken schraubte und erst aufhörte, wenn man heulend um Gnade winselte. Eigentlich konnte man aber gucken wie man wollte, irgendwas gab es immer, das Uwe nicht passte und ihm Gelegenheit gab, über einen herzufallen und wenn es nur das Vorhandensein hoher Luftfeuchtigkeit war. Außerdem besaß er auch ein Blasrohr, mit dem er zu unserem Leidwesen ziemlich zielsicher umgehen konnte. Uwe war ein echtes Arschloch und aus heutiger Sicht betrachtet konnten wir froh sein, dass er nie genug Kohle hatte, um sich andere Waffen zu besorgen, mit denen er uns schuriegeln konnte.

Der gar nicht mehr so kleine Hank nun hat nächsten Dienstag Geburtstag. Noch vor vier Wochen wünschte er sich unbedingt einen Sportbogen, was ich für keine besonders gute Idee hielt. Wir haben hier kein eingezäuntes Grundstück und es laufen auch immer andere Kinder durch die Gegend. Die Gefahr, dass er aus Unachtsamkeit jemanden verletzt, machte mir Bauchschmerzen und ich war froh, dass das Thema einschlief und wähnte mich sicher.

Akut ist allerdings seit einer Woche sein neuer Wunsch nach einer Softair-Waffe. Er will auch gar nichts anderes, üüüüberhaupt nicht, nur dieses Gewehr, bittebittebitte, das er in einem Internet-Shop gefunden hat und seine Kumpels J.C. und Schamhaar-Addi hätten sowas doch auch schon.
Meinem Einwand, dass für dieses Modell die Altersempfehlung „ab 14“ gelte, entgegnete er mit dem Argument, dass er schließlich auch Computerspiele mit FSK 16 habe, was richtig ist. Trotzdem sehe ich einen Unterschied darin, ob er Klonkrieger in Star Wars Battlefront über den Bildschirm jagt, oder ob er mit einer täuschend echten Knarre im zwar riesigen aber doch von Mehreren genutzten Garten auf Zielscheiben ballert.
Zwar habe ich volles Vertrauen zu ihm. Er würde nie anderen Angst einjagen, sie quälen oder demütigen, wie einst das Arschloch Uwe. Aber die Durchschlagskraft der „ab 14“-Waffen ist nicht zu unterschätzen und ich kann doch nicht durch die Nachbarschaft pilgern und Schutzbrillen verteilen, nur weil Hank draußen Schießen übt!

Heute nun habe ich ihm meinen endgültigen Entschluss mitgeteilt, dass ich ihm zum 11. Geburtstag keine Heckler und Koch G36C kaufen werde, worüber er natürlich maßlos enttäuscht war. Die Tränen nur mühsam unterdrückend verzog er sich in sein Zimmer und ich gab ihm eine halbe Stunde, bevor ich ihn mit den geliebten Apfelpfannkuchen plus kross gebratenen Speckstreifen wieder in die Küche lockte. Jetzt erklärte ich ihm, dass wir zusammen zum Sportwaffenhändler gehen und dort ein geeignetes, altersgerechtes Teil aussuchen würden. Und wenn er dann nach ein paar Wochen immer noch Interesse daran hätte, würde ich ihn bei einem Schießsport-Verein in einem Nachbarort anmelden, wo er unter professioneller Aufsicht sicher für sich und andere lernen kann. Er akzeptierte den Vorschlag sofort und war immer noch enttäuscht, aber nicht mehr so sehr.

Ich bin wirklich froh, dass er mir mein Kleiner einen theatralischen Dampfhammerauftritt erspart und die Entscheidung hingenommen hat wie ein Großer, fast so froh, wie ich darüber bin, dass Arschloch Uwe in meiner Jugend nie eine Softair in die Finger bekommen hat, wo doch die Erbsen aus seinem Blasrohr schon schmerzhaft genug waren.

Euch eine sichere Nacht wünscht
moggadodde

Rückenwind

Meine sentimentale Phase von gestern hat sich heute früh um 4 in Luft aufgelöst, nachdem ich von einem gefolterten Chinesen geträumt hatte. Ab dann war die Nacht eigentlich gelaufen und ich konnte schnell noch Glattauer und „Alle Sieben Wellen“ fertig lesen. Empfehlenswert, wirklich, die Fortsetzung der Geschichte um Emmi und Leo und ein Muss für diejenigen, die schon „Gut gegen Nordwind“ genießen durften. Waren die Leiden des armen Chinese also doch zu was gut.

Zugegeben, das waren jetzt nur ein paar wenige Tage hier am Meer, aber die Tatsache, dass ich diese völlig zu meiner Verfügung hatte, mich um nichts und niemand anders kümmern musste als um mich selbst, war erfrischend wie die steife Brise der Nordsee. Dabei habe ich festgestellt, dass ich selbst eigentlich ziemlich pflegeleicht bin. Ich hatte mit mir selbst jedenfalls keinerlei Probleme.
Der Heimatfunk hat weich geartete Verdauungsschwierigkeiten beim Karnickel gemeldet und ich bin sicher, wenigstens Lola hat mich ordentlich vermisst. Jetzt ist auch der Zeitpunkt gekommen, an dem ich anfange, die Kinder zu vermissen, obwohl ich weiß, dass dies nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Dixie wird stöhnen, dass sie nun wieder in ihr Ordnungs- und Pünktlichkeitskorsett gepresst wird und Hank wird die gute Oma-Küche vermissen, die ihm alles, was er sich in seinen wildesten Ernährungsträumen vorgestellt hat, ohne Schimpfen und Gesundheitsvortrag auf den Tisch gebracht hat. Sowas gibt es bei Muttern natürlich nicht.
Tja, Kinners, ab morgen weht wieder ein anderer Wind …

Euch einen windstillen Tag wünscht
moggadodde

Rühr-SEE-lig

Die Holländer, die aus Religionsgründen Anfang des 17. Jahrhunderts aus ihrer Heimat ins Nordfriesische emigriert sind, haben ein Städtchen aus dem Morast gestampft, mit Grachten bestückt und nach dem III. Herzog von SL-Gottdorf netterweise Friedrichstadt genannt. Das war heute mein erstes Ziel.

Friedrichstadt

Unschlagbarer Vorteil des ansonsten lausigen Daseins eines Wintertouristen ist, dass nahezu überall geparkt werden kann und, weil die Parkwächter wohl auch Ostern erst wieder beginnen, sogar meist kostenlos. Gut, Grachtenrundfahrten gibt es, wie gehabt, erst wieder im März, da bin ich aber ehrlich gesagt auch nicht so scharf drauf.
Als ich durch die Gässchen schlenderte, entdeckte ich etwas anderes, das mich viel mehr interessierte: Gar nicht schüchtern klingelte ich beim örtlichen Tierpräparator und erkundigte mich nach dem Präparier-Procedere. Der Herr des Hauses war nicht überschwänglich entzückt über meine Störung seiner Winterruhe, gab aber dann doch erschöpfend Auskunft.

Eule oder Uhu, jedenfalls tot

Lediglich frische, unversehrte Fundtiere würden verwendet und entgegen landläufiger Meinung nicht ausgewaidet und meine anfangs geäußerte Vermutung, der Vorgang der Präparation würde dem Hagens-Verfahren ähneln, erwies sich als grundfalsch. Das Fell oder Federkleid oder was da halt so dran ist, würde wie bei einem Hasen abgezogen, das darunter liegende Fleisch und die Muskulatur würden abgetragen. Nach dem so entstehenden Vorbild formt man entweder aus Kunststoff oder aber in dem von ihm vorgezogenen Verfahren aus Holzwolle den neuen Körper, und hat für den Rest künstlerisch freie Hand, kann also entscheiden, ob das Tier sitzt, steht, liegt, fliegt, sich windet oder was immer. Schlussendlich wird das Ganze mit dem anfangs sorgsam abgezogenen Gefieder/Fell/Haut wieder verkleidet. Das war eklig zu hören und ich würde mir auch sicher kein ausgestopftes Tier ins Haus holen, hat mich aber einfach mal interessiert und lag so auf dem Weg. Gottseidank hat es dort auch gar nicht gestunken, ehrlich!
Ansonsten ist Friedrichstadt ein putziges Klein-Amsterdam, nett anzuschauen, hat viele Teeläden und endlich keinen Billigbäcker im Ortskern, aber nach zwei Stunden ist dann auch gut mit Oranje und Klompjes an jeder Ecke und Dänisch an jeder zweiten und ich fuhr weiter.

Einer plötzlichen Intuition folgend (Merke: allein fahren = allein entscheiden wohin) bog ich von der Hauptstraße Richtung Meer ab und wurde nicht enttäuscht: Mit dem Auto flugs über einen kleine Kuppe und das Auge sieht, wonach es sich die ganze Zeit verzehrt hat: Dünen, Sand, Watt, Meer. Na bitte, geht doch! Ich war scheinbar bisher nur an den falschen Stellen! Oder hat sich die Nordsee, mit der ich ja zuletzt ein bisschen im Clinch lag, doch darauf besonnen, mich zur Freundin haben zu wollen?

Mir eröffnete sich ein grandioses Bild: Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich so etwas gesehen. Moment, das reicht nicht: Noch nie in meinem ganzen und ja nicht sehr kurzen Leben habe ich so eine unendliche, grenzenlose, weite Weite gesehen, ich sah die weiteste, endloseste, wahnsinnigste und überwältigendste Weite, die ich wohl je jemals sehen werde! Nach hinten eine fast endlose Sandfläche mit weißem Sand, so fein wie Puder, nach vorne die See mit weißen Krönchen auf den Wellenkämmen hier und da und links und rechts versprenkelt einige fingernagelgroße Menschen weit, weit weg.

Mehr Meer geht nicht

Mehr Meer geht nicht

Wenn man da so steht und die hereinkommende Flut wie ein neugieriger, schnuppernder Hund immer näher und kommt und einem schließlich auf die Füße platscht (beschuht! Februar!), die salzige Gischt wie kleine Sahnehäubchen auf dem glänzenden, weichen Watt liegen bleibt, rundherum ein ununterbrochenes Tosen, das kein Dolby Dingsbums dieser Welt schöner wiedergeben könnte und einem mühelos die fest sitzende Mütze vom Kopf zerrt, dann fühlt man sich so fassungslos und glücklich und lebendig, das man heulen könnte und jetzt, da ich das hier schreibe, kommen mir komischerweise schon wieder Tränen, obwohl ich im Zimmer sitze und gar kein Wind weht.
Ich weiß nicht recht, warum ich eine so starke, fast schon naive Affinität zu Wassern im Allgemeinen und Meeren im Besonderen habe, ich kann mir nicht erklären, warum ich so eine Verbundenheit spüre und Wohlbefinden, wie ich es nur ganz selten erlebe, vielleicht war ich im früheren Leben ja mal Klabautermann oder Wasserschlange oder gar Neptun.
Heute, an genau dieser Stelle, hat mich die Nordsee aber rumgekriegt. Ich glaube sogar, ich habe mich ziemlich verknallt.

ILY

Und jetzt, am späten Nachmittag, wo die Sonne gleißend auf das Wasser fällt und gleich von ihr verschluckt wird, bin ich versöhnt und froh, morgen mit diesen Bildern im Kopf abfahren zu können (die ich euch vielleicht auch auf YouTube zeige, wenn mich die Stunde Internetnutzung nicht mehr Viereinhalb Mücken kostet). Einen schöneren Abschied hätte mir meine neue Freundin gar nicht bereiten können.

Euch einen rührseligen Abend wünscht
moggadodde

Stormfrei!

Ich könnte jetzt nicht behaupten, dass in Husum und um Husum herum der Bär steppt. Aber es tat wirklich gut, mal wieder ein paar mehr Menschen zu Gesicht zu kriegen. In den letzten Tagen hatte ich mangels Gesellschaft nicht wirklich viel gesprochen. Ein „Moinmoin“ und ein „Ja, Kaffee, danke“ beim Frühstück sowie die Latte-Bestellung am Nachmittag, viel mehr ist kommunikationstechnisch als Alleinreisende nicht drin. Genau genommen könnte es sogar ziemlich langweilig werden, wenn man wie ich zwar ganz gerne mal schweigt, aber überwiegend gerne spricht. Allerdings ist es die reinste Wonne, allein im Auto zu sitzen und abzubiegen wann und wohin man will und wenn man lustig ist sogar in das Kaff Witzwort, allein deshalb, weil der Name komisch klingt. Witzwort selbst ist dann auch nicht so komisch. Und da wollte ich ja auch gar nicht hin, ich wollte ja nach Husum.

Husum ist die Theodor-Storm-Stadt, ihr wisst schon, das ist der mit der düsteren Kinderschrecker-Schimmelreiter-Geschichte. Husum ist auf den Herrn Storm wirklich stolz und das sieht man daran, dass an allen Ecken und Enden kleine Täfelchen angebracht sind nach dem Motto: „Hier lebte der Großvater von Theodor Storm“, „Hier wurde Theodor Storm geboren“, „Hier lebten die Eltern von Theodor Storm“, „Hier lebte der Schäferhund von Theodor Storm“.
Ich muss ja nicht erwähnen, dass das eigentliche Theodor-Storm-Haus, in dem man sich über sein Schaffen informieren kann, geschlossen war. Wintertouristen haben halt die Arschkarte (Vergebung, Herr Storm, ist doch so) und müssen gefälligst in den dreimal drei Stunden antanzen, die das Haus wöchentlich geöffnet ist. Müßig zu erwähnen, dass ich zur falschen Zeit da war. So wahnsinnig wichtig war mir Storm aber auch noch nie, ich bin in meiner Jugend ja eh gleich zu Simmel übergegangen.

Ich schlenderte durch die wirklich hübsche Innenstadt von Husum mit den netten Backsteinbauten und Treppengiebel-Häusern und deckte mich mit Mitbringseln für die Lieben daheim ein. Für mich selbst erstand ich auf dem Wochenmarkt eine Haarschere zum Ausdünnen, sowas wollte ich schon immer, für nur 5 €. Frauen wissen was ich meine, den anderen sollte es egal sein, denn bekanntermaßen werden bei den Herren die Haare ja von selbst dünn.

Schnickschnack

Die blondgezopfte Marktfrau hatte aber nicht nur Scheren aller Art. Ich traute meinen Augen nicht, als ich Pinzetten mit einem halben Meter Länge entdeckte! Sogar zahnärztliches Instrument, auch diese kleinen Widerhäkchendinger zum Ausputzen von Zahntaschen hatte die auf den vier Tischen ausgebreitet! Auf Nachfrage wusste die Marktfrau zu berichten, dass die Riesenpinzetten gerne von Terrarium- oder Wildtierbesitzern gekauft würden, die ihre gefräßigen Bestien so gefahrlos füttern könnten und, tja, sie habe viele Zahnärzte-Kunden, die sich bei ihr mit den benötigten Instrumenten eindeckten. „Ist doch Chirurgenstahl, wissen Sie?!“ – Ich glaube, die Gesundheitsreform ist offenbar jetzt auch auf dem Wochenmarkt angekommen! Es ist sicher nur noch eine Frage der Zeit, dann werden auch künstliche Kniegelenke oder Herzschrittmacher auf den mit Samt bezogenen Tischen von Marktfrauen verkauft.

Ich ertappte mich dabei, wie ich in den Läden und an den Ständen mehr redete als nötig. Ich war so begierig darauf zu sprechen, dass ich in einem Souvenirladen einen kleinen, mit Batterien bestückten Leuchtturm kaufte, um die Verkäuferin mit der Story über meinen vermasselten Besuch in Westerhever zu beglücken. Sie hatte viel Verständnis für die missliche Lage von Wintertouristen und tatsächlich hatten wir ein Gespräch, das über „ja“, „danke“, „bitte“, „nochmal dasselbe“ hinausging und das tat wirklich gut.

Als ich schon zurückfahren wollte, entdeckte ich die Abfahrt zum Hafen. Wo ein Hafen ist, kann das Meer ja nicht weit sein, und zwar ohne matschiggrüne, kilometerlange Salzwiesen zu durchqueren, „da fährste mal lang!“ dachte ich hatte diesmal wirklich Glück: Oben auf dem Deich öffnete sich mir ein spektakuläres Bild: Graues, wild tobendes Wasser, das stetig ans Ufer drückt und mit den Wellen in Gischtfontänen anlandet, mit Salz in der Luft und in kleinen Wasserspritzern, das sich auf Haut und Lippen legt und so verdammt gut schmeckt und dem stürmischsten aller Stürme, gegen die ich bisher das Vergnügen hatte anstehen zu dürfen. Wenn ich mir die Nase putzen musste, hatte ich Schwierigkeiten, die Arme wieder in die Jackentasche zu bringen, schockartige Böen zwischendrin versuchten, mich von den Beinen zu holen.
Aber ich hielt stand, stemmte mich gegen den Wind und kämpfte mich zum Zipfel der kleinen Landzunge und schrie in die Nordsee, dass sie es mir wirklich schwer mache, sie zu mögen.
Die Nordsee pfiff mich an, dass sie eben nicht leicht zu haben sei und da könnte ja jeder kommen und sie gerne haben. Wen sie mag, entscheidet sie schon noch selbst, bitteschön!
Ich erwiderte, so laut ich konnte, dass ich schließlich ein hübsches Weglein zurückgelegt hätte, um sie zu sehen und wenn sie sich jetzt noch ein bisschen anstelle, hätte ich die Ostsee bald viel lieber. Und die ist immer da wo sie hin gehört und nicht nur ab und zu und nach Gewaltmärschen durch Salzwiesen zu erreichen, schob ich hinterher!
Selber Schuld, schrie mich jetzt die Nordsee an, im Februar bin ich halt zickig! Mag mich oder nicht, ist mir doch schnuppe! Ich meinte aber eine gewisse Unruhe zu hören, dass ich vielleicht doch die Ostsee ihr vorziehen könnte und wie zur Versöhnung ließ sie ihren Kumpel Sturm auf dem Rückweg noch einen Zacken zulegen und so verdammt heftig blasen, dass sogar ein kleines Fleckchen Blau am Himmel zu sehen war. Ich war schon drauf und dran ihr zu verzeihen, ließ es mir aber nicht anmerken, die letzten beiden Tage lasse ich sie noch ein bisschen schmoren, die Nordsee.

„Am grauen Strand, am grauen Meer

Und seitab liegt die Stadt;

Der Nebel drückt die Dächer schwer

Und durch die Stille braust das Meer

Eintönig um die Stadt.“

Das hat Theodor Storm bestimmt im Februar geschrieben, als er auch niemanden zum Reden hatte.

Euch einen schwatzhaften Tag wünscht
moggadodde