Küstenvernebelt

Klar, dass ich den Westerhever Leuchtturm in natura sehen wollte. Eigentlich kenne ich den ja schon, genauso wie ihr, auch wenn ihr selbst noch nie einen Fuß in Richtung Westerhever gesetzt habt. Gemeinerweise hat nämlich die Brauerei Jever genau diesen Leuchtturm in ihrem Werbespot verwendet, und wer nun weiß, dass Jever in Niedersachsen und der Westerhever Leuchtturm in Schleswig-Holstein steht könnte vermuten, dass sich die Brauerei da ein bisschen mit fremden Federn schmückt, zumal die ostfriesische Küste sicherlich selbst mit Leuchttürmen gespickt ist, aber vielleicht ist ja keiner so fotogen wie der von Westerhever.
Klar war auch, dass sich der Turm nicht von seiner besten Seite zeigt, wenn ich komme.

Vernebelt

Erstens hatte ich mir leichtsinnigerweise eingebildet, man könnte mit dem Auto zumindest bis in die Nähe des Turms kommen. Lauffaul, das habe ich am ersten Nordseetag schon gelernt, darf man hier nicht sein und auch nicht zu leicht angezogen. Ich parkte also in der Einöde, völlig allein und wanderte mit Wollmütze plus Kapuze, die auch dringend vonnöten waren, auf den Deich, um nach dem Turm Ausschau zu halten. Ich sah nichts, diesiges Wetter und trotzdem unglaubliche Weite trübten meinen Blick. Oben auf dem Deich ist aber eine gezeichnete Wegbeschreibung: Drüben runter vom Deich, geradeaus und dann links ab durch die Mitte.

Eine gute Dreiviertelstunde später, inzwischen konnte ich im Nebel den Turm schon erkennen, blitzte ein Gedanke durch mein Gehirn: Ist das Auto eigentlich abgeschlossen? Ich konnte mich nicht daran erinnern, abgeschlossen zu haben! Wie beim vielleicht nicht abgeschalteten Bügeleisen wurde ich unruhig. Ich hatte bis auf die Kamera und das Telefon alles im Auto gelassen: Zimmerschlüssel, Navi, Geld, Karten, Fluppen, was man halt so hat, unterwegs. Schnell wischte ich den Gedanken an räuberisches Gesindel beiseite. Ich hatte, seit ich hier angekommen war, keine Menschenseele gesehen, warum also sollte jemand diesen gottverlassenen Parkplatz aufsuchen und einen Kombi klauen? Auch wenn ich weiter unruhig blieb, ich marschierte weiter und kam dem Turm trotz eisigen, frontal blasenden und schneidenden Windes langsam näher.

Das Törchen stand offen und mein durch düstere Nordseegeschichten geprägter Verstand erwartete jetzt einen wollmützigen Seebären mit Pfeife im Mundwinkel, der mir grimmig das Innere des trutzigen Turms zeigt und mir zum Aufwärmen einen Grog mit Rum kredenzt, bei dem ich feststellen würde, dass Seebären nett sind, auch wenn sie grimmig aussehen.

Ich klopfte also an einem der beiden kleinen Häuser, die wohl zu Forschungszwecken für das Nationaldingsbums Wattenmeer verwendet werden Ein Ökofreak unbestimmten Geschlechts öffnete und auf meine Frage, wann denn die nächste Möglichkeit zum Besteigen des Turms wäre antwortete er oder sie, dass er an Ostern wieder besichtigt werden könne. Ostern! Ich sagte, dass ich nicht gedenke, so lange zu bleiben und er oder sie antwortete, dass in einer kleinen Hütte nebenan eine Infoecke eingerichtet sei. Infoecke! Was soll das denn? Da kann ich ja auch ins Internet und mich informieren und muss nicht stundenlang durch sturmeisiges Geläuf marschieren, oder?

Stinkig stiefelte ich zurück und hatte wenigstens den Wind jetzt im Rücken. Ich sinnierte darüber, dass in Zeiten von GPS und computerunterstützter Navigation Leuchttürme ja schon lange überflüssig geworden sind und nur noch für gefühlsduselige Touristen da stehen, denen ein drei-Kilometer-Marsch (einfach) nicht zuviel ist, um einen rot-weiß getünchten Turm anzustarren. Das Innere, die Technik, die Treppen, die Enge – das hätte ich gerne gesehen, aber nicht auf Schaubildern sondern in natura, wenn ich meinen Kadaver da schon durch die Heide hieve!
Zurück am Parkplatz entdeckte auch ich dumme Landratte endlich das Hinweisschild, wonach Führungen auf den Westerhever Leuchtturm erst wieder an Ostern stattfinden. Gibt es denn hier nicht einen mitteilsamen Rentner, der auch Wintertouristen auf den Turm führt? Oder wie wär’s mit einem 1-Euro-Jobber oder einen von den Ökotypen, die in ihrer Forschungsstation mit Vögelzählen oder Robbengucken unmöglich ausgelastet sein können! Dem aushängenden „Kummerkasten“ hätte ich gerne mein Anliegen anvertraut, was mangels Schreibzeug aber auch nicht ging.
Das Auto war natürlich abgeschlossen und ich bin sicher, ich hätte sogar die Türen plus Kofferraum offen stehen lassen oder als Nixe oder Heuler verkleidet auf dem Parkplatz liegen können, ohne dass es vor Ostern in dieser irrsinnigen Einsamkeit irgendjemand bemerkt hätte.

Versöhnt hat mich danach das schleswig-holsteinische savoir-vivre, in einer Hotellobby rauchen zu dürfen. Das Gefühl, wie es ist, mit Cappucino und Zigarette in einem mit vier Wänden umgebenen und öffentlichen Raum zu sitzen, ist man als gemeiner Bayer ja gar nicht mehr gewöhnt. Als ich so da saß und mir langsam wieder warm wurde, fand ich meine bis zu den Knien hoch matschverspritzte Hose gar nicht mehr so schlimm, aber trotzdem hätte ich den Leuchtturm wirklich zu gerne auch von innen gesehen. Deswegen fahre ich morgen zum Shopping nach Husum. Da wird man auch als Wintertourist sicher nicht vor verschlossener Tür stehen müssen.

Euch einen wärmeren Tag wünscht
moggadodde

Mal schnell vonne Küste …

Die Narren waren heute wohl alle Fasching feiern, auf der ganzen Strecke nur drei Drängler und Raser. Vorbildlich! Vor Hamburg war ich so gut drauf, dass ich dachte, ich könnte jetzt eigentlich auch bis zum Nordkap durchfahren. Danach wurde es aber ziemlich öde und zog sich wie blöd.
Dann natürlich gleich ans Wasser:

Lektion 1: Vorne ist verdammt weit weg

Vorne ist verdammt weit weg

Lektion 2: Nach hinten ist es auch nicht näher

Hinten ist auch verdammt weit weg

Lektion 3: Niemals ohne Tempo an den Strand, will man sich eine blubbernde Rotznase ersparen. Davon habe ich kein Bild, worüber ihr froh sein solltet.

W-LAN: äußerst schneckig und nervenaufreibend instabil, Wetter: friesisch-herb, Windstärke: viel.

Eindruck bis jetzt: Gar nicht mal so übel. Und weit und breit keine Moppelkotze, Labskaus oder Jan und sein Sack. Trotzdem erhöhte Restaurant- und Kneipendichte und Fisch an allen Ecken.
Das war’s aus dem Norden, ich geh‘ jetzt in die Waagerechte.

Und tschüss
moggadodde

Friesisch-derb

Als interessierter Tourist erkundige ich mich über nicht nur über Sehenswürdigkeiten im Zielgebiet, sondern informiere mich auch über Sitten, Gebräuche und Eigenarten der Einwohner, denn bekanntlich wird man z.B. in Thailand ja ruckzuck verknackt, wenn man auch nur einen lumpigen Kaugummi auf die Straße spuckt.

Besonders über leibliche Genüsse muss ich selbstverständlich im Bilde sein und da haben mich die Recherchen über die nordfriesischen Essensgewohnheiten ein wenig beunruhigt, was beim Frühstück schon anfängt. Ein Rundstück würde ich eher in einem Werkzeugkasten neben dem Flansch vermuten denn in einer Bäckerei und die Steigerung, ein „Rundstück warm“ ist hierzulande ein Bradenbrödle, was es offiziell eigentlich gar nicht gibt. Schnitzelbrödle oder Leberkäsweck ja, aber hier tut keiner eine Scheibe Braten in ein Brötchen und gießt Soße drüber! Das muss ja ein Gemampfe sein! Anders herum kommen sich das Nordlicht als solches aber bestimmt auch total dämlich vor, wenn es südlich des Weißwurschtäquators „Kipfli“ bestellen muss, weil die Servicekraft beim Backkettendiscounter nur pikiert blinzelt, wenn jemand ein „Rundstück“ von ihr verlangt. Glücklicherweise habe ich Garni gebucht und komme so um diese Verlegenheit herum.

Insgesamt scheinen die Nordfriesen, sicher aufgrund der Nähe zur unberechenbaren See ein eher hartgesottenes Volk zu sein, das Dinge verzehrt, die z.B. „Moppelkotze“ heißen, wobei die Bezeichnung „Eintopf mit nicht genau bestimmter Rezeptur“ ja streng genommen bedeutet, dass da auch Teppichflicken, Lackreste oder der Inhalt des Katzenklos verarbeitet wurden, weshalb ich den Teufel tun und das probieren werde. Phonetisch nicht viel besser ist die Aussicht auf „Jan im Sack“, wobei man vielleicht noch froh darüber sein sollte, dass es nicht „Jans Sack“ ist, der einem da vorgesetzt wird. Aber fix is nix, wie man hier sagt.

Ich finde bisher ja immer noch, wer so etwas wie Labskaus mag, ein Gericht das so aussieht, als hätte es den Stoffwechsel bereits einmal durchlaufen und ist durch eine Art Wiedergeburt wegen seines schlechten Karmas nochmal auf dem Essteller gelandet, der frisst auch kleine Kinder.
Wahrscheinlich halte ich dann doch lieber an irgendeinem Fisch fest und labe mich nach einem ausgiebigen Strandspaziergang noch an einer Toten Tante, was sich zwar auch unappetitlich anhört, aber wenn neben dem Kakao noch ein Schuss Formalin drin sein sollte, riecht man das ja.

Nachdem ich allerdings jetzt drei Tage hintereinander an meinem thailändischen Essen von Samstag rumnuckeln musste, weil ich beim Kochen verdrängt übersehen habe, dass der MamS als bekannter Vielfraß wegen Abwesenheit ausfällt, freue ich mich auf Abwechslung an der Viktualienfront. Vielleicht wage ich mich ja sogar an den Jan in seinem Sack heran, wenn ich ihn finde.

Euch eine mutige Nacht wünscht
moggadodde

Und dann war da noch …

… der elegant gekleidete, fremde Herr im Mittelalter am Buffet, der irgendwo zwischen Schokobrunnen und Sushi mit seinen angeblichen 20 Fremdsprachen protzte. Weil er Latein könnte, fiele ihm das Erlernen sämtlicher romanischer Sprachen spielend leicht, daneben beherrscht er neben einigen nordafrikanischen Sprachen auch Bantu und Suaheli. Auf Nachfrage konnte er jetzt zwar gerade leider keinen Satz auf Rumänisch, da müsste er sich erst wieder reinhören, aber zum Beweis seiner bemerkenswerten, sprachlichen Virtuosität zeigte er mir sein Uralt-Handy, das Spanisch eingestellt war. Nicht schlecht, Herr Specht! Soll das etwa Eindruck machen? Sowas kriegt ja Hank sogar hin! Aber nicht wissen, dass „Vitello“ Kalb und „Tonnato“ thunfischisiert heißt! So einer kommt mir ja gerade recht! Kein Arsch in der Hose aber La Paloma pfeifen, gell?
Ich weiß ja nicht, wo der das Anbaggern gelernt hat, aber ich schätze mal, er war in der Münchhausen-Schule. Und ich befürchte, ich bin unglaublich runtergekommen, wenn mich am Buffet schon solche Säcke anmachen wollen.
Sorry der Herr, aber um mich zu bescheißen, müssen Sie etwas früher aufstehen! Und auf Aufschneider kann ich ja generell gar nicht! Setzen! Sechs!

Euch eine ehrliche Nacht wünscht
moggadodde

Alles Neu!

Zugegeben, Bauchschmerzen hat mir die Gästeliste für die anstehende Geburtstagsfeier schon bereitet: Weil zwei Paare und dort insbesondere die Männer, vormals allerbeste Busenfreunde, sich vor einiger Zeit heillos zerstritten haben, stand ich vor der unangenehmen Frage, wie ich einladungstechnisch vorgehen soll.
Sollte ich beide Paare einladen und abwarten, wer kneift oder, wenn keiner kneift riskieren, dass die Streithähne im laufe des Abends zu Stimmungskillern werden oder in angeschickertem Zustand gar schlagkräftige Argumente austauschen? Sollte ich so tun, als wäre nichts und zusehen, wie die Leute mit zusammengekniffenen Lippen rumsitzen, weil jeder fürchtet, was Falsches zu sagen? Sollte ich von den Parteien gar niemanden einladen? Sollte ich zweimal feiern, wie es andere Bekannte zu ihren Geburtstagen handhaben, aufgrund der im dortigen Bekanntenkreis rasant gestiegenen Scheidungsquote?

Das Problem hat sich glücklicherweise von selbst erledigt, denn ich habe im Vorfeld bereits verkündet, heuer leiderleiderleider überhaupt nicht feiern zu können, weil direkt an meinem die SchwieMu zu ihrem 70. Geburtstag zum Brunch in ein feines Hotel lädt. Sorry Leute, aber ich wäre ja dumm, wenn ich mir sowas entgehen ließe! Nächstes Jahr wieder, gell?! Und ein Geschenk habt ihr euch ja so auch gespart, hahaha!

Eigentlich bin ich auch ganz froh, dass ich zum ersten mal seit vielen Jahren am Geburtstag nicht wie ein Chick on Speed durch die Gegend flitzen muss, sondern mich ganz entspannt und vornehm verpflegen lassen kann, ohne Einkaufen, Kochen, Bedienen, Bezahlen oder Abspülen zu müssen. Außerdem ist der MamS nicht da und selbst wenn er nicht die größte Stimmungskanone vor dem Herrn sein sollte, feiern macht ohne ihn auch nur halb soviel Spaß, ganz zu schweigen davon, dass er im After-Party-Saubermachen viel besser ist als ich.

Préludern Reinfeiern ist allein ziemlich öde, dachte ich und wollte mit David Sedaris einem netten Buch eigentlich zeitig ins Bett, habe aber die Rechnung ohne meine lieben Kinder gemacht, die sich die Gelegenheit für ein Gläschen um Mitternacht natürlich nicht entgehen lassen wollen. Mit Herrn Fox haben wir ein bisschen gesungen und ich bin bass erstaunt, dass beide die Texte drauf haben wie andere das Vaterunser, während ich mich mit beträchtlichen Lücken durch „Alles neu“ stammle, was ich jetzt mal nicht aufs Alter schiebe. Auf was ich es sonst schieben sollte, fällt mir aber gerade auch nicht ein. Scheiß Alzheimer!

Nun, da die Buddel aber schon offen ist, trinke ich einen großen Schluck auf euch und den MamS in der Fremde, auf Dixie und Hank, auf sämtliche Faschings-Alkoholleichen und die es noch werden wollen sowie alle, in dieser Nacht unabsichtlich gezeugten Kinder und ganz besonders auf den netten Staubsaugerfuzzi, der mir gestern einen neuen Schlauch vollkommen für lau überlassen hat, wofür möglicherweise mein unwiderstehlicher Charme plus eine ordentliche Portion Frauenbonus verantwortlich ist. Ach ja, und auf mich natürlich.
Vielleicht bleibt ja sogar noch ein Schluck fürs Sektfrühstück übrig … vielleicht!

Euch eine spritzige Nacht wünscht
moggadodde